Ernten und Sterben (German Edition)
Klein-Büchsen. Wir wollten den Bürgermeister auf frischer Tat ertappen, erinnern Sie sich? Aber ich glaube nicht mehr daran, dass er der Mörder ist. Nur sind die anderen wie vom Erdboden verschluckt. Ich versuche jetzt, Ihren Freund anzurufen. Setzen Sie sich einfach hin, der Findling wird Ihnen Halt geben. Wenn Ihr Kreislauf wieder stabil ist, müssen wir Frau Doktor suchen.« Clementine wählte die Nummer von Egon-Erwin. Doch der reagierte nicht.
»Ich gehe jetzt zum Hochsitz und suche ihn«, sagte sie zu Hubertus und lief, so schnell es ging.
Sie musste Egon-Erwin nur noch abholen. Er war wach, doch hatte er nicht um Hilfe gerufen, weil er ihren Plan nicht gefährden wollte. Der Kabelbinder, der ihn ruhigstellen sollte, war falsch herum eingefädelt worden und konnte sich ohne große Anstrengung lösen lassen. Als er Clementine bemerkte, kletterte er die wacklige Holzleiter hinunter und lief ihr entgegen. Nach wenigen Minuten erreichten sie zu zweit den Findling. Sie staunten nicht schlecht, weil Hubertus verschwunden war. Auf dem Boden lagen die Reste der Kabelbinder, und die Blutspur des verletzten Mörders zog sich über den Boden.
»Wo ist denn Hubertus?«, fragte Egon-Erwin verblüfft und bekam nur ein Schulterzucken zur Antwort.
Langsam wurden Clementine diese ständigen Überraschungen zu viel. Nur mit Mühe konnte sie einen hysterischen Anfall unterdrücken.
»Haben Sie sich geschnitten, oder zu wem gehört all das Blut? Hat es Hubertus erwischt?«, fragte Egon-Erwin.
»Ich habe den Maskenmörder am Bein erwischt, aber er war einfach zu stark und zu brutal. Er ist mir entwischt. Tut mir wirklich leid«, sagte Clementine fast tonlos.
»Aber das macht doch nichts. Sie haben gekämpft und uns alle gerettet. Darauf wäre ich stolz. Nicht jeder Kerl wäre so mutig gewesen.« Egon-Erwin umarmte Clementine und drückte sie fest an seine Hühnerbrust.
»Hey, ihr da! Hört auf zu knutschen. Es gibt Wichtigeres zu tun …« Es war Hubertus, der schon das Haus des Bürgermeisters erreicht hatte. »Nehmt endlich die Beine in die Hand!«
»Der hat gut reden. Hat die ganze Zeit herumgelegen und geschlafen, während ich um mein Leben gekämpft habe. So ein Weichei«, sagte Clementine, die Egon-Erwin mal wieder einen Schritt voraus war.
Wenig später stand das Trio im Hof des Postgebäudes. Clementine übernahm das Kommando.
»Die Zeit für Spielchen ist vorbei. Wir konfrontieren ihn direkt mit der Wahrheit, und wenn es gleich an der Haustür sein muss.« Ohne auf eine Antwort zu warten, stieg sie die zwei Stufen zu der alten Holztür hoch und läutete auf der ultramodernen Klingelanlage Sturm.
»Euch mach ich nicht auf. Ein Überfall am Tag reicht mir. Haut ab, sonst ruf ich die Polizei«, tönte die Plastikstimme des Bürgermeisters aus dem Lautsprecher. »Ich kann euch alle drei ganz genau sehen, und meine Überwachungskameras zeichnen alles aus vier verschiedenen Blickwinkeln auf.«
»Kein Problem. Ich wollte gerade Kommissarin Müller anrufen.« Clementine hielt ihr Handy hoch. »Wetten, dass ich schneller bin als Sie? Ich habe die Nummer als Kurzwahl in meinem Handy gespeichert.«
Als Reaktion hörte sie nur merkwürdige Geräusche aus den Untiefen der Hightech-Anlage, gefolgt von Gepolter im Treppenhaus und lautem Gefluche. Focken riss die Haustür so heftig auf, dass der Putz an den Scharnieren bröselte.
»Was wollt ihr Idioten von mir?«, brüllte er in die Runde und wischte sich mit einer riesigen Stoffserviette die Heringsreste aus dem Mundwinkel. Er roch aus dem Mund wie eine Jauchegrube und rülpste unanständig laut.
»Wir suchen Albertine. Also wir suchen Frau von Krakow …«, begann Clementine etwas umständlich das Gespräch.
»Nu mal Butter bei die Fische, Focken«, unterbrach Hubertus sie. »Wir wissen von Ihrem Folterkeller. Und wir vermuten, dass Frau von Krakow dort festgehalten wird. Egal, was Sie jetzt sagen, Sie haben sich des Menschenraubs schuldig gemacht.«
»Wer hier was gemacht hat, bestimme noch immer ich, und eure Verbrechensliste ist länger als meine. Ich fange einmal mit wiederholtem Hausfriedensbruch an … Was soll denn das? Die Dienstmagd fummelt an meinem Bein herum!« Focken wollte schon zurückweichen, um von Clementine wegzukommen, die mit dem Messer in der einen Hand seine Oberschenkel abtastete.
»Bleiben Sie still stehen, sonst schlitzen wir Sie auf.« Hubertus nahm Clementine das Messer ab, weil ihre Hände so zitterten, doch er hielt die Spitze
Weitere Kostenlose Bücher