Ernteopfer
Tatverdächtige heißt Marek Dzierwa und das Opfer heißt Antoni Kowalski.«
Katarzyna schlug sich erschrocken mit der flachen Hand auf den Mund.
»Um Himmels willen, ausgerechnet Marek! Der würde doch nie jemanden etwas zuleide tun.«
»Was?«, schrien Gerhard und ich gemeinsam.
»Sie kennen Marek Dzierwa?«
»Marek ist der beste Freund von Jakub gewesen. Ich habe absolut keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hat.«
»Wussten Sie nicht, dass er hier in Deutschland ist?«
»Nein, mein Bruder hatte das mit keinem Wort er wähnt. Wo ist Marek jetzt?«
»Er wurde inhaftiert und hat bis jetzt sämtliche Aussa gen verweigert. Wir wissen nicht mal, warum es zu dem Streit kam. Kennen Sie den Antoni?«
»Der Name sagt mir nichts. Tut mir leid.«
»Reiner, ich hätte da eine Idee«, warf mein Kollege ein.
»Dann mal raus damit, Gerhard.«
»Wir lassen den Marek hierher bringen und verneh men ihn im Beisein von Frau Schablinski. Dann wird er vielleicht reden.«
»Hm, eine gute Idee, Gerhard. So werden wir es machen. Frau Schablinski, fahren Sie bald wieder zurück nach Polen oder bleiben Sie noch ein paar Tage in Deutschland?«
»Ich bleibe. Ich fahre erst wieder mit meinem toten Bruder zurück, egal wie lange es dauert.«
»Okay, das ist gut. Wären Sie so freundlich und würden, sagen wir mal, morgen früh dabei sein, wenn wir Marek vernehmen?«
»Gerne, Herr Palzki. Ich tue alles, um den Tod meines Bruders aufklären zu helfen.«
»Danke für Ihre Unterstützung. Haben Sie schon ein Quartier?«
»Ja, ich wohne in Speyer in der Pension ›Alte Pfalz‹.«
»Ja, die kenne ich, da wohnt man ganz gut. Wir werden Sie dann morgen früh dort abholen. Die genaue Zeit teilen wir Ihnen noch mit.«
»Danke. Ich werde jetzt wieder zurück nach Speyer fahren. Sie können dann gerne in der Pension eine Nach richt mit der Uhrzeit hinterlassen, falls Sie mich dort nicht direkt erreichen.«
»Sind Sie eigentlich mit einem Auto da?«, fragte ich sie neugierig.
»Nein, ich bin mit dem Zug aus Speyer gekommen und vom Bahnhof aus zu Ihnen gelaufen.«
»Aber Frau Schablinski! Sie hätten doch anrufen kön nen! Wir hätten Sie gerne abgeholt. Darf ich Sie wenigstens zurück in Ihre Pension bringen?«
Sie wirkte verlegen.
»Macht es Ihnen wirklich nichts aus? Ich muss zugeben, bis zum Bahnhof ist es schon ein gutes Stück zu laufen.«
»Aber nein, das ist kein Problem. Ich habe sowieso noch was in Speyer zu erledigen.«
Gerhard schaute mich überrascht an. Ich klärte jedoch meinen Kollegen über meine Pläne nicht auf.
»Wir telefonieren später, Gerhard«, zwinkerte ich ihm möglichst diskret zu.
»Kommen Sie, Frau Schablinski. Ich bringe Sie nach Speyer.«
»Auf Wiedersehen, Herr Steinbeißer«, verabschiedete sich unser Gast.
17
Auf der Fahrt nach Speyer unterhielten wir uns über ihre Familie. Beide Brüder hatten in Warschau Maschinenbau studiert. Nur Tomasz hatte danach kurzfristig einen Job bei einem Unternehmen, das bald Konkurs anmeldete. Wie viele andere versuchten sich die beiden Brüder mit Jobs als Ernte helfer in Deutschland über Wasser zu halten. Trotz der für uns miserabel erscheinenden Löhne verdiente ein Erntehel fer in einem Monat mehr als in einem halben Jahr in Polen. Vorausgesetzt, er hatte in Polen überhaupt einen Job.
Ich versuchte, Frau Schablinski zum Essen einzuladen, doch sie lehnte dankend ab. Sie wollte lieber alleine sein und in Speyer spazieren gehen, um sich vielleicht noch den Dom anzusehen.
Nachdem ich sie vor der Pension abgesetzt und mich verabschiedet hatte, fuhr ich weiter zum Betrieb der Firma Weiß. Die ganze Strecke durfte ich hinter einem grüngel ben Traktor mit voll beladenem Hänger hertuckern. Er hatte tatsächlich das gleiche Ziel wie ich. Auf dem Betriebs gelände von Hannah Weiß angekommen, verschwand das möglicherweise überladene Gefährt in der vorderen Halle. Ich parkte dagegen neben einem marktähnlichen Verkaufs stand, an dem drei Frauen bedienten. Mehrere Kunden standen Schlange, um an das begehrte Obst und Gemüse zu kommen. Große handgemalte Schilder wiesen darauf hin, dass wegen eines technischen Defekts beim Großhan del heute alles zum halben Preis verkauft würde.
»Guten Tag.«
Mit dieser Begrüßung drängte ich mich von der Seite her kommend an den Anfang der Menschenschlange, die aber eher einem Tausendfüßler ähnelte.
»Ich suche Frau Weiß, können Sie mir sagen, wo ich sie finde?«
Eine der Verkäuferinnen, die gerade mehrere
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