Ernteopfer
dachte aber, dass man so was auch mit einer Kreditkarte machen kann.«
»Ja, genau das ist der Fehler. Das mit der Kreditkarte funktioniert eben nicht. Jedenfalls nicht im richtigen Le ben, sondern nur im Film. Das Plastik der Kreditkarten ist nämlich viel zu hart und zerbricht beim geringsten Ver such. Probier es ruhig mal aus, aber besser mit einer alten Karte, dann wirst du schon sehen.«
Ich glaubte es ihm.
»Und du nimmst einfach das Stück Plastik, das du aus einer alten Flasche ausgeschnitten hast?«
»So ist es. Einfach und effektiv. Der Kunststoff hat genau die richtige Dicke und Flexibilität. Du setzt das gute Stück etwa zehn Zentimeter über dem Türgriff an und schiebst es bis zum Anschlag in den Spalt. Dann bewegst du es nach unten, bis es am Schnapper stoppt. Nun rüttelst du mit einer Hand am Türgriff und der Tür, mit der anderen Hand versuchst du, das Plastik weiter nach unten zu drücken. Und das wars, die Tür geht auf.«
Ich starrte ihn entsetzt an.
»Ja, so ist das, Reiner. Eine Tür, die nur zugefallen aber nicht abgeschlossen ist, ist wie ein Vorhang. Das wissen aber nur wenige.«
»Und wenn du wegen so was den Schlüsseldienst holst, bohrt er dir den Zylinder für ein Schweinegeld auf«, er gänzte ich.
»Sicher, von irgendwas müssen die schließlich leben. Das Stückchen Plastik würde es aber genauso tun.«
Ich legte das wertvolle Plastikstück wieder auf seinen Platz. Ich nahm mir vor, meine Eingangstür künftig im mer ordentlich zu verschließen. Selbst wenn ich zu Hause sein sollte.
»So, Reiner«, fuhr mein Freund stolz fort, »hier ist das Teleobjektiv. Ich habe es inzwischen technisch etwas wei terentwickelt.«
Ich nahm das lange schwarze Metallrohr in die Hand und probierte es aus. Die Schieberinge am vorderen Ende zum Justieren der Linsen schienen unverändert zu sein. Am anderen Ende befand sich ein Okular, auch dieses hatte ich genauso in Erinnerung. Direkt daneben war ein kleiner grauer Kasten mit zwei Anschlüssen zu sehen.
»Aha, und was kann ich damit jetzt zusätzlich machen? Und wofür ist dieser zweite Anschluss?«
»Lass es dir erklären, mein Freund. Grundsätzlich funktioniert es wie immer. Du nimmst das Stativ und befestigst das Teleobjektiv darauf. Ohne Stativ hast du bei dieser 2000er-Brennweite keine Chance. Es wiegt zwar ein paar schöne Kilogramm, aber nur Gewicht bringt Ruhe in die Masse. Dann stellst du vorne am Ring eine 100er-Brennweite ein und fixierst dein Zielobjekt durch das Okular. Langsam und vorsichtig schiebst du danach die Brennweite höher. Wenn du das allerdings zu hastig machst und das Rohr dabei zittert, ist alles umsonst gewesen. Dann kannst du wieder von vorne anfangen. Wenn du dein Ziel in der gewünschten Grö ße vor der Linse hast, kannst du hier den Kopfhörer anschließen.«
Ich nickte eifrig.
»Jawohl, mein Herr. Deine Erfindung ist allererste Sah ne. Auf so eine Sache ist bisher noch niemand gekommen, das Richtmikrofon in das Teleobjektiv zu integrieren und mit der Brennweite abzustimmen!«
»Diese Erfindung war doch eine meiner leichtesten Übungen«, erklärte Jacques bescheiden, »durch die Brenn weitenregulierung des Mikrofons werden die nervenden Nebengeräusche auf ein Minimum reduziert, wie du si cher bemerkt hast.«
O ja, das hatte ich. Aus über 300 Metern Entfernung hatte ich Jacques’ Erfindung getestet und konnte dabei jedes Wort verstehen.
»Jetzt mach es mal nicht so spannend. Wofür ist der zweite Anschluss?«
Er machte es trotzdem spannend. In der Hand hielt er einen kleinen Behälter, etwas kleiner als ein Einweg feuerzeug.
»Dies ist ein sogenannter Massenspeicher. Das klei ne Etwas hat eine Kapazität von rund 200 Gigabyte. Du stülpst es einfach über den zweiten Kontakt. Die Aufnah me startet dann automatisch.«
»Welche Aufnahme?«, fragte ich ihn verwirrt.
»Na was schon! Bild und Ton. Alles, was du mit dem Teleobjektiv anstarrst. Über 100 Meter Entfernung sind die Aufnahmen noch so scharf und deutlich zu verstehen, als würdest du daheim in der Glotze die Nachrichten se hen und hören.«
»Wahnsinn«, rutschte es mir raus, »und wie lange nimmt das auf?«
»Hm, sagen wir es mal so. Wenn du den Massenspeicher jetzt zufällig aktivierst und es erst ein paar Tage später be merkst, ist der Speicher gerade mal zu einem kleinen Teil gefüllt. Das geht selbstverständlich nur mit einer Kom pression der Daten. Der Algorithmus ist natürlich von mir selbst entwickelt.«
»Natürlich!«,
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