Eroberer des Alls
Diesseits abbüßte. So war es auch McCauley ergangen.
Natürlich konnte mit der X-21 kein Testflug durchgeführt werden. Man konnte sie nicht von einem Bombenflugzeug hochschleppen lassen und dann ihr Flugverhalten prüfen. Man konnte nur starten und versuchen, in eine Höhe zu gelangen, die noch nie zuvor von einem bemannten Flugkörper erreicht worden war, und dann wieder zur Erde zurückkehren. Wenn alles klappt, würde es eine feine Sache sein. Wenn es nicht klappt, hatte man eben Pech gehabt.
McCauley rauchte noch eine Zigarette und ging hinaus. Er kniff die Augen schützend vor dem grellen Sonnenlicht zusammen und marschierte zum Hangar Nr. 7.
Zehn Minuten später stand er vor dem Schiff. Er hatte unterwegs niemanden getroffen. Aus einem Hangar tönte ein Hämmern – wohl ein Mechaniker, der an irgend etwas arbeitete. Aus einem anderen Hangar drangen Stimmen – ruhige, gelangweilte Stimmen, denen man entnehmen konnte, daß es sich um keine dringende Arbeit handeln konnte. Anscheinend hatte die gesamte Mannschaft des Stützpunkts am Tag vor dem Start Ausgang. Das sprach entweder für eine erstklassige Organisation oder für etwas, woran man lieber nicht denken sollte.
Er betrachtete die X-21. Sie war riesig, glatt und eindrucksvoll. Und ein bißchen verrückt sah sie aus, denn sie war für einen Zweck konstruiert worden, an den die meisten Menschen noch nie gedacht hatten. Sie machte einen etwas unwirklichen Eindruck, wie fast alle Dinge, mit denen das Unwahrscheinliche erreicht werden soll.
Da war zum Beispiel die Kanzel. Sie war im Bug, hing aber nach unten durch, so daß der Pilot direkt rückwärts an der Unterseite des Schiffs entlangsehen konnte. Das bedeutete eine Störung des Schleppwiderstands beim Flug, die aber durch Tragflächen über dem Schiffsrumpf ausgeglichen wurde. In diese Tragflächen waren in sicherer Entfernung vom Rumpf gewaltige Staustrahltriebwerke eingebaut; sie wirkten dem Ausgleich wieder entgegen, doch wurde das Gleichgewicht ein zweites Mal durch den Schleppwiderstand des nicht einziehbaren Fahrgestells wieder hergestellt. Am Heck mit den dreifachen Steuerflossen saßen die Träger für die Mark-Twenty-Startraketen, und dahinter sah er den vertrauten Anblick des kegelförmigen Zylinders – die Schubdüse des Triebwerks.
Auf Grund seines Spezialtrainings wußte McCauley genau, woran er war. Das Schiff würde mit Hilfe der Startraketen eine so hohe Geschwindigkeit erreichen, daß die L-Triebwerke in den Tragflächen ihre Arbeit aufnehmen konnten. Die L-Triebwerke würden es bis an den äußersten Rand der Atmosphäre tragen, und wenn die Luft auch für die L-Triebwerke nicht mehr ausreichte, würde der R-Trieb übernehmen. Theoretisch könnte man es eine dreistufige Rakete nennen, aber in Wirklichkeit paßte das Schiff in keine bekannte Kategorie. Und doch hatte es mit den Raketen, die von Hydrazin und Salpetersäure angetrieben wurden, eines gemein: Wenn es nicht federleicht aufsetzte und der Treibstoff nicht völlig verbraucht war, würde es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit explodieren.
Der springende Punkt war, daß, wenn alles vorschriftsmäßig klappte, McCauley das Vakuum mit vollen Treibstofftanks und einer Geschwindigkeit von ein paar Hundert Meilen pro Stunde mit Kurs nach Osten erreichen sollte. Auf dem Weg nach oben würde er versuchen, in den Jetstrom einzutauchen und diesen als Beschleuniger zu benutzen. Wenn er dann den R-Trieb anlaufen ließ, sollte er das Schiff in eine Umlaufbahn bringen.
Das war das Ziel dieses Flugs, das bisher noch nie erreicht worden war. Menschen hatten in Flugkörpern die Erde umkreist und waren wieder gelandet. Man nahm auch an, daß ein Mensch auf dem Mond gelandet war – obwohl er ihn nur als Leiche erreicht hatte. Satelliten in den verschiedensten Umlaufbahnen umkreisten die Erde, aber niemand hatte jemals zuvor ein bemanntes Raumschiff hochgeschickt, dessen Pilot mit Manuellsteuerung eine Umlaufbahn erreichte und dann das Schiff zur Erde zurückbrachte. Wenn das einmal gelungen war, konnte man von einem Raumschiff sprechen. Bis dahin gab es nur Flugkörper.
McCauley ging nachdenklich um das Monstrum herum, pfiff durch die Zähne und verglich alles, was er sah, mit dem, was er wußte. Schließlich betrat er die Kanzel und probierte die Kontrollen aus. Es war alles genauso wie in der Übungsmaschine.
Wieder in sein Zimmer zurückgekehrt, versank er in tiefes Nachdenken. Jemand klopfte an die Tür. Auf sein
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