Eroberer des Alls
erforderliche Geschwindigkeit zu erreichen, würde er zweifellos nach der ersten Beschleunigung das Triebwerk einige Male zünden und abschalten müssen. Man hatte zwar schon mit Alkohol und flüssigem Sauerstoff gespeiste Triebwerke während des Fluges an- und abgeschaltet, aber noch nie ein mit Hydrazin und Salpetersäure angetriebenes. Das war bisher auch nicht nötig gewesen. Aber McCauley würde es tun müssen, und bei der Vorstellung sträubten sich ihm die Haare.
Raketentreibstoff ist günstigstenfalls unberechenbar. Bei den früheren Schiffen der X-Serie wurde Alkohol und flüssiger Sauerstoff und ein- oder zweimal Ammonium und flüssiger Sauerstoff als Treibstoff verwendet. Bei Landung mit stehendem Triebwerk konnte dieser Treibstoff schnell abgelassen werden. Aber kein vernünftiger Mensch würde im Notfall Salpetersäure und Hydrazin ablassen. Und diese beiden Flüssigkeiten wurden bei der X-21 verwendet. Ihr großer Vorteil ist, daß sie nicht extra gezündet werden müssen. Ihr großer Nachteil ist, daß sie bei Kontakt sofort eine Reaktion eingehen. McCauley hatte sich mit der Treibstoffzufuhr befaßt und machte sich Gedanken darüber. Im Teststand war alles gutgegangen. Wenn es auch in der Praxis klappte – um so besser. Wenn nicht ...
McCauley wußte auch nicht, was dann geschehen würde. Dieses Problem war in sein Trainingsprogramm nicht einbezogen worden, weil es keine Lösung dafür gab.
»Wenn es passieren sollte«, murmelte er, »werde ich es wenigstens wissen, denn dann wird Petrus mir zurufen: ›Grüß dich, Ed! Tritt ein!‹«
Er rutschte unruhig hin und her. Das Licht, das durch die Schlitze der Jalousie fiel, war jetzt rötlich. Er verspürte zwar keinen Appetit, fragte sich aber trotzdem zum Offizierskasino durch. Es war fast leer. Die meisten hatten Ausgang bis neun Uhr. Vielleicht wollte der Kommandant auf diese Weise demonstrieren, daß es für eine gut geführte Organisation nichts Besonderes sei, das erste wirkliche Raumschiff auf die Reise zu schicken.
McCauley saß allein. Einige wenige andere Offiziere waren beim Abendessen, einige nickten ihm zu, aber niemand kam an seinen Tisch. Man hatte zuviel Aufhebens um ihn gemacht, und jeder wollte den Eindruck vermeiden, sich im Ruhm eines Mannes zu sonnen, der bald noch berühmter sein würde – falls er überlebte.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als in sein Zimmer zurückzugehen. Unterwegs kaufte er sich am Zeitungsstand etwas zu lesen.
Er fühlte sich sehr einsam. Er war sich völlig im klaren darüber, daß seine Reaktion auf die Tatsache, daß Furness sich für ihn zum Sprecher gemacht hatte, nicht gerade vorbildlich gewesen war. Es stimmte, daß man ihn erst hätte fragen müssen. Er hatte auch nicht die Absicht gehabt, sich aufzuspielen. Und es traf zu, daß er eigentlich nur um eine Bestätigung und nicht um Informationen gebeten hatte, denn alle Tests hätten ja bereits absolviert sein müssen. Aber Furness hatte es in die falsche Kehle bekommen, und jetzt war nichts mehr daran zu ändern.
Er konnte sich nicht auf die Lektüre konzentrieren. Er rauchte und brütete vor sich hin, bis ihm zum Bewußtsein kam, daß der Aschenbecher überquoll. Er sah auf die Uhr und legte sich ins Bett, konnte aber nicht einschlafen. So zählte er alle fünfzig Bundesstaaten, ihre Hauptstädte und ihre wichtigsten Produkte auf, bis er vor Langeweile einschlief.
Aber er träumte. Im Traum hatte das Schiff den Hangar verlassen und wurde aufgetankt. Aber das Auftanken wurde falsch gemacht – sträflich falsch. Zwei Tankwagen standen beim Schiff, einer hatte Hydrazin, der andere Salpetersäure geladen. Beide Flüssigkeiten wurden gleichzeitig in das Schiff gepumpt. Im Traum spürte McCauley, wie sich ihm die Haare sträubten. Er wollte schreien, brachte aber keinen Laut hervor. Die Leute gingen mit den Schläuchen um, als tankten sie ein Auto auf. McCauley wußte, daß so etwas unmöglich war, aber im Traum war es durchaus möglich und glaubhaft.
Er sah, wie die sprudelnde, rauchende Salpetersäure aus der Schlauchdüse auf den Boden spritzte. Der Mann sah blöde zu, wie immer mehr nachfloß. Und da schrie McCauley auf – und die Katastrophe geschah. Auch das Hydrazin floß aus und spritzte auf den Boden ...
In seinem Traum sah McCauley, wie eine Feuerwand hochsprang.
Beide Wagen detonierten in einer großen Stichflamme, das Schiff sank in sich zusammen und zerplatzte in Fragmente ...
Er saß steil aufgerichtet im Bett und rang nach
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