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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Morast gestoßen war.
    Nun, er musste sehen, dass er aus dem Schlamm herauskam. Doch als er sich hochzustemmen versuchte, versanken seine Arme einfach bis zu den Ellbogen in der weichen Masse, und als er strampelte und um sich schlug, verklebten die Glieder seines Kettenhemdes, und es wurde noch schwerer. Außer Atem von dem Sturz, begann er zu ermüden. Und er merkte, dass er jedes Mal, wenn er sich zu befreien versuchte, nur
den Schlamm aufwühlte und ein wenig tiefer sank. Er musste lachen. Sollte sein Leben so enden, dass er im Schlamm versank? Er würde an den Pforten des Paradieses abgewiesen werden, und das Gespött der Helden würde ihm in den Ohren klingen.
    Das war’s dann wohl mit der Idee, den Grafen zu beeindrucken, dachte er erbittert. Aber ihm blieb nichts anderes übrig, als um Hilfe zu rufen.
    »He!«, schrie er, so laut er konnte, und nahm seinen kegelförmigen Helm ab, um damit zu winken. »Zu Hilfe! Hierher!«
    Die Normannen brausten weiter wie ein Sturm, aber er glaubte zu sehen, wie zwei Reiter ausscherten.
    Er versuchte erneut, sich zu befreien, und sank noch tiefer. Er wiederholte seine Rufe in dem Fränkisch, das die Normannen sprachen, dann auf Englisch und Dänisch.
    »Ich höre dich ja. Du brauchst nicht so zu schreien.«
    Die neue Stimme sprach Englisch, und sie gehörte einer Frau. Orm versuchte sich umzudrehen. Der Schlamm reichte ihm jetzt fast bis zur Taille, und sein schwerer Griff schloss sich immer fester um seine Beine.
    Die Frau, die mit den Kriegern geritten sein musste, stand am anderen Ende des Wäldchens, mit einem Mann an ihrer Seite. Sie war klein, selbstbewusst und drahtig und trug keinen Kettenpanzer, sondern einen praktischen Kittel und eine Hose aus robust wirkendem Leder. Ihr braunes Haar war zurückgebunden
und gab den Blick auf ein gebräuntes, wettergegerbtes Gesicht frei. Sie war ungefähr zwanzig Jahre alt und wäre mit ihren blauen Augen durchaus hübsch gewesen, dachte Orm düster, wenn sie sich nicht so offensichtlich über ihn amüsiert hätte.
    Der Mann neben ihr war älter als die Frau, hatte aber ähnliche blassblaue Augen; obwohl er ein Kettenhemd trug und eine Keule in der Hand hielt, wirkte er zu schmächtig für einen Krieger. Orm fand, dass er durchtrieben aussah – schlank und geschmeidig, wie eine Schlange.
    Orm kannte ihn. »Du bist der Priester, der mit Harold reitet.«
    »Stimmt«, sagte der Mann. »Mein Name ist Sihtric. Das ist meine Schwester, Godgifu.«
    Orm versuchte sich aufzurichten und so viel wie möglich von seiner Würde zurückzugewinnen. »Und ich bin Orm, Sohn von Egil, Sohn von Egil, der …« Aber er fiel rücklings um, schlug im Schlamm um sich und sank erneut ein Stück tiefer.
    Godgifus Gelächter schallte wie ein Vogelruf durch das kleine Gehölz.
    »Es ist unhöflich, sich über den armen Burschen lustig zu machen, Godgifu«, tadelte Sihtric sie leise. »Du bist also Egilsson? Tatsächlich habe ich dich gesucht. Stimmt es, dass dein Vater in Vinland geboren ist?«
    »Dort empfangen«, sagte Orm, der keuchend im Schlamm lag. »Geboren wurde er in Grönland.«
    »Aha. Und ist unter deinen Vorfahren ein anderer Egil, der bei Ethandune gegen Alfred gekämpft hat?«
    »Ja.«
    »Dann gibt es eine Verbindung zwischen unseren Familien«, sagte Sihtric. »Es ist nämlich so …«
    »Ich würde liebend gern den ganzen Tag lang mit dir über Ahnentafeln diskutieren, Priester«, sagte Orm, nach Luft ringend, »aber momentan beschäftigen mich dringlichere Angelegenheiten.«
    »Er hat recht«, sagte Godgifu nüchtern. »Komm, Bruder, wir können später noch über das Menologium reden; jetzt sollten wir ihm erst mal heraushelfen.«
    Godgifu und Sihtric gingen vorsichtig um das Sumpfloch herum. Sie fanden einen heruntergefallenen Ast und legten ihn über den Schlamm. Der Ast war schwer, die Rinde verrottet und mit Flechten überzogen, und sie waren beide rasch schmutzig. Orm bekam den Ast zu fassen, was zumindest verhinderte, dass er noch tiefer in den Schlamm sank. Aber er konnte sich nicht herausziehen. Sie versuchten es alle immer wieder, und Sihtric sprach ein leises Gebet auf Lateinisch.
    »Er braucht jetzt keine Gebete, mein lieber Sihtric, sondern Muskelkraft.« Ein hochgewachsener, gut gebauter Mann in einem kostbar aussehenden Kettenpanzer kam mit großen Schritten in das Gehölz. Unter einem glänzenden Helm mit Bronzeintarsien erspähte Orm Locken ergrauender roter Haare und einen langen Schnurrbart. Er sprach Englisch und

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