Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
jener kurzen Klingen, welche die Engländer Sax nannten. Sie schob das Schwert beiseite, packte seinen Arm, drehte ihn Robert auf den Rücken und drückte ihm ihr Messer an den Hals. »Nenn mich noch mal Hündin«, zischte sie. »Na los, Robert, Erbe von William.«
    Robert wehrte sich wutentbrannt, sagte jedoch nichts. Die anderen blieben einen Augenblick lang wie erstarrt stehen. Dann griffen sie nach ihren Schwertern.
    Orm trat in den Kreis. Die Jungen wichen verblüfft
zurück. »Lord Robert. Dein Vater wünscht dich zu sehen.«
    »Mein Vater …«
    »Du kennst mich. Du brauchst meine Worte nicht anzuzweifeln. Geh jetzt.« Orm nickte Godgifu zu. Vorsichtig ließ sie den Jungen los.
    Robert funkelte Orm wütend an. Aber er steckte sein Schwert in die Scheide und trat von Godgifu weg.
    Orms Herz klopfte. Wenn seine Täuschung nicht gewirkt hätte, wären die Folgen für ihn möglicherweise tödlich gewesen.
    Godgifu schien nicht einmal schwer zu atmen. Sie steckte ruhig ihr Messer weg; Orm konnte nicht sehen, wo sie es verbarg. Sie blickte zu Orm auf. »Danke.«
    Sihtric kam herbeigeeilt. Er trug eine schwarze Soutane und ein hölzernes Kruzifix um den Hals. »Gut gemacht, gut gemacht«, sagte er zu Orm und blies die Backen auf. »Ich habe alles gesehen. Du hast Robert eine Gelegenheit gegeben, aus der Sache herauszukommen, ohne das Gesicht zu verlieren. Komm. Ich lade dich zu einem Becher Wein ein – das Mindeste, was ich tun kann …«

III
    Sihtric führte Orm und seine Schwester zu einem Wirtshaus, wo er ihnen Wein und Fleisch von einem geraubten bretonischen Schwein kaufte, das auf holzharten Brotstücken serviert wurde. Dazu musste er sich allerdings Geld von seiner Schwester leihen. Sie gab ihm englische Silber-Pennys, die stabilste Währung in ganz Europa, wie jedermann wusste, Münzen, die überall angenommen wurden.
    Sihtric trank einen großen Schluck von seinem Wein. »Ah. So gewürzt, wie William ihn angeblich am liebsten mag. Furchtbares Gesöff, was? Da ziehe ich ein gutes englisches Bier jederzeit vor. Also, das war knapp. Hätte peinlich werden können, wenn Williams Sohn jemanden von Harolds Trupp umgebracht hätte. Wirklich sehr peinlich.«
    Orm drehte sich zu ihm um. »Peinlich? Hier geht es um deine Schwester. Sie hätte von diesen kleinen Arschlöchern vergewaltigt und ermordet werden können. Mir ist nicht aufgefallen, dass du ihr so schnell wie möglich zu Hilfe geeilt bist.«
    Sihtric lachte leise, als wäre die Bemerkung vollkommen töricht.
    Godgifu nippte an ihrem Wein. Ihre blauen Augen
leuchteten im Halbdunkel der Wirtsstube. »In Wahrheit bin ich hier, um auf Sihtric aufzupassen, Orm, nicht umgekehrt. Unser Vater hat mir den Auftrag gegeben, als Sihtric an Harolds Hof gegangen ist.«
    »Euer Vater?«
    »Vor seinem Tod. Er war ein Thegn von Tostig Godwineson, Earl von Northumbrien – Harolds Bruder. Ich war schon immer eine bessere Kämpferin als Sihtric.«
    »Vielleicht hat sie ein bisschen dänisches Blut in den Adern«, sagte Sihtric vulgär. »Ihr Nordmänner habt ja schon immer gern das alte Rein-Raus-Spiel gemacht, während ihr in England gewütet habt, stimmt’s?«
    »Sihtric …«
    Er ließ sich nicht bremsen. »Findest du’s nicht seltsam, was für ein wildes Völkergemisch wir sind? Earl Harold selbst ist halb Engländer, halb Däne – wir Engländer sind eigentlich Germanen –, und die Normannen sind ebenfalls Nordmänner oder waren es vor hundert Jahren, als sie dem fränkischen König dieses Stück Land gestohlen haben. Selbst die Bretonen, die wir durchs Land gejagt haben, stammen angeblich von Briten ab, die hierher geflohen sind, um meinen eigenen sächsischen Vorvätern zu entkommen, obwohl es mir schwer fällt, das zu glauben …«
    Orm warf Godgifu einen Blick zu. »Wovon redet er?«
    Sie verdrehte ihre ungewöhnlich hübschen Augen. »Von der Geschichte«, sagte sie. »Von der Geschichte, wie immer.«

    »Priester, in der Bretagne – bei dem Sumpfloch – hast du mir erzählt, du hättest mich gesucht. Weshalb?«
    Godgifu sagte: »Erzähl ihm vom Menologium. Ich sehe doch, dass du’s kaum erwarten kannst.«
    »Menologium?«
    »Eine Prophezeiung«, flüsterte Sihtric. »Möglicherweise häretisch. Vor zweihundert Jahren ist sie in Alfreds Besitz gelangt – er war unser größter König, vielleicht hast du von ihm gehört. Sie war damals schon alt und hatte sich bereits als wahr erwiesen, und in den Jahren seither hat sich das nur

Weitere Kostenlose Bücher