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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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musste um die Vierzig sein, aber er war ein echtes Muskelpaket und sicherlich ungefähr doppelt so schwer wie der dünne Priester.

    Sihtric verneigte sich. »Herr. Wir haben unser Bestes getan, aber …«
    »Das sehe ich.«
    »Sein Name ist Orm Egilsson«, sagte Godgifu.
    »Orm, nicht wahr? Einer von Williams bezahlten Kriegern? Ich habe schon Männer auf diese Weise sterben sehen, sobald der Schlamm in den Kettenpanzer gelangt und das Leder durchtränkt ist – aber nicht heute. Hm, Orm Egilsson?«
    Er drehte sich zu seinem Pferd um, das von einem Jungen gehalten wurde, und nahm seinen Schild. Dieser war von einer normannischen Blattform mit gerundeter Oberseite und spitz zulaufender Unterseite, die bei den Schildbauern »mandelförmig« hieß. Der Engländer warf den Schild in den Schlamm und schritt ohne zu zögern darauf entlang, wobei er einen eindrucksvollen Gleichgewichtssinn an den Tag legte. Er setzte seine Füße vorsichtig auf, beugte sich vor und zog seinen Handschuh aus. »Haut auf Haut ist jetzt das Beste für dich.«
    Orm warf Godgifu seinen Handschuh zu und streckte die Hand nach oben. Der Engländer umschloss sie mit warmem Griff und zog. Orm strampelte und trat gegen den Schlamm, aber es war der Engländer, dessen schiere Zugkraft den Sieg davontrug, und Orm kam ganz plötzlich frei, wie ein Neugeborenes, das zwischen den Beinen seiner Mutter herauspurzelte.
    Der Engländer half dem Dänen auf die Beine und klopfte ihm auf die Schulter. »So. Pass nächstes Mal auf, wohin du reitest.« Bevor Orm ihm danken konnte,
hob er seinen Schild auf und marschierte zu seinem Pferd zurück.
    »Welch ein Mann«, sagte der Priester. »Sieht ein Problem, löst es und reitet weiter. Tja, Orm Egilsson, nun hast du eine Geschichte zu erzählen, wenn du dich heute Abend betrinkst.«
    Godgifu streifte den Schlamm ab, der an Orms Kettenpanzer haftete. »Irgendwas gebrochen?«
    »Nur mein Stolz.« Er schaute auf sie hinab, als ihre behandschuhten Hände über seine Brust wischten, und sie sahen sich in die Augen. Ihr leuchtender, jungenhafter Blick war verspielt, hatte aber dennoch einen Hauch von Tiefe. Die Art, wie sie über seine Brust strich, fühlte sich beinahe zärtlich an, trotz der Schichten aus Stoff und Metall, die seine Haut von ihrer trennten.
    Er fragte: »Wer war das?« Aber er glaubte es schon zu wissen, bevor der Priester antwortete.
    »Harold, Sohn von Godwine, Earl von Wessex«, sagte Sihtric. »Ein toller Mann, findest du nicht? Und jetzt verdankst du ihm dein Leben, Orm Egilsson.«
    Es war der Mittsommer des Jahres 1064.

II
    Orm sah Godgifu erst wieder, als der Plünderertrupp in die Normandie zurückkehrte.
    An der bretonischen Grenze wurde Orm ausbezahlt. In Anbetracht der Kosten für das Pferd und die Waffen, die er im Schlamm verloren hatte, machte er nicht viel Gewinn, und er wäre froh gewesen, die normannischen Plünderer, die sich seit seinem Sturz gnadenlos über ihn lustig gemacht hatten, nicht mehr sehen zu müssen. Aber er blieb auf eigene Kosten bei Williams Truppe, bis sie die kleine Stadt Bayeux erreichten, wo Herzog Williams Halbbruder Odo Bischof war. Dort sollte ein Festmahl stattfinden, und Odo wollte in seiner reich ausgestatteten Kirche einen Dankgottesdienst abhalten.
    Als Zweitgeborener musste der zweiundzwanzig Jahre alte Orm selbst zusehen, wie er zu Land und Vermögen kam. In dem Flickenteppich miteinander Krieg führender Herzogtümer, aus denen Nordfranken bestand, gab es jede Menge Möglichkeiten zu kämpfen  – und nur wenige bessere Zahlmeister als William den Bastard, wie man ihn wegen seiner unehelichen Herkunft nannte, der Schlachten gewann, seit er sich aus seiner harten Kindheit freigekämpft hatte.

    Eines Tages, wenn er reich war oder wenn seine Kräfte schwanden (oder beides), würde Orm nach Hause zurückkehren, um sich eine Frau zu suchen, etwas Land zu kaufen und sein eigenes Gehöft zu errichten. Vielleicht würde er auch nach England gehen, wo Dänen, wie es hieß, immer noch willkommen waren, selbst wenn er dann vielleicht Christ werden und die Religion seiner Vorväter aufgeben musste. Bis dahin war er jedoch ein Opportunist. Und in seiner zufälligen Begegnung mit der jungen Engländerin namens Godgifu, in jenen Momenten, als sie sein schmutziges Kettenhemd berührt und ihm in die Augen geblickt hatte, glaubte er, eine Gelegenheit, eine neue Fährte erspäht zu haben. Und so folgte er William nach Hause, um zu sehen, wohin ihn diese neue

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