Eroberer
Gelegenheit führen mochte.
Schließlich fand er Godgifu in Bayeux, an einem strahlend hellen Mittag.
Bayeux wurde von Kirchen und den Villen der Grundherren beherrscht. An diesem Tag war die kleine Stadt randvoll von Williams Männern und den Straßenhändlern, kleinen Gaunern und Huren, die sich um jedes erfolgreiche Heer scharten. Um die Mittagszeit hatten die Röstöfen schon einen Tag und eine Nacht lang gebrannt, gefüllt mit geschlachteten Schweinen, Schafen und Rindern, die von bretonischen Höfen geraubt worden waren, und der Wein floss in Strömen. Die Krieger stolzierten wie Göttersöhne durch die Stadt, aßen, tranken, kopulierten, rauften und schliefen, wo sie hinfielen. Sie trugen ihre Helme, damit die
Huren wussten, wer sie waren, obgleich sich Orm darüber wunderte, dass ihre Schwänze von den endlosen, obsessiven Vergewaltigungen nicht bereits zu Stummeln abgenutzt waren.
Die normalen Bewohner der Stadt mussten sich einfach mit all dem abfinden. Sie lebten in hallenähnlichen Langhäusern auf engstem Raum mit ihrer Familie und teilten den Platz im Winter auch mit ihren Tieren. Da sie bitterarm waren, mussten sie den größten Teil ihrer Zeit nicht für sich selbst, sondern auf dem Land ihrer Herren arbeiten. Orm fühlte sich unwohl in ihrer Gegenwart. Anders als die Dänen, anders als die Engländer waren sie von Grund auf unfrei in einer Weise, die Orms unabhängiger Mentalität zuwider war.
Der englische Trupp, der Harold begleitet hatte, war immer noch da. Die Engländer trugen ihr Haar lang; nur wenige hatten Vollbärte, viele jedoch lange Schnurrbärte, die umfangreicher Pflege bedurften. Die Normannen, die sich so nüchtern kleideten, dass sie wie Priester aussahen, bezeichneten die Engländer als Weiber. Dies hatte nicht so viele Tote zur Folge, wie Orm erwartet hätte, denn die englischen Thegns behielten ihre Männer im Griff; schließlich waren sie wenige und weit weg von zu Hause.
Orm erspähte Harold und seinen Bruder Gyrth, hochgewachsene, imposante Gestalten mit langen roten Haaren und üppigen Schnurrbärten, die den Schwarm der Huscarls und Diener, die ihnen folgten, mühelos dominierten. Die Brüder waren zur Hälfte
dänischen Geblüts, und das sah man ihnen auch an. Tatsächlich hatte Knut, ein dänischer König von England, den Brauch eingeführt, sich Huscarls zu halten, professionelle Soldaten und eingeschworene Gefährten.
Die Godwines waren angeblich die mächtigste Familie Englands, sogar mächtiger und reicher als König Edward, der von dem berühmten Alfred abstammte. Diese gut aussehenden Brüder verbreiteten selbst auf diesem ausländischen Boden einen strahlenden Glanz.
William ließ sich nicht so oft blicken. Der Herzog vergewaltigte niemanden und hurte auch nicht herum. Wie es hieß, war er seiner Gemahlin Mathilda seit Jahrzehnten treu; der stets asketische Bastard verbrachte seine Zeit lieber im Gebet mit seinem Bruder, dem Bischof, oder auf der Jagd, ein Sport, dem er wie besessen Stunde um Stunde widmete.
Williams Söhne waren jedoch nicht so diszipliniert wie ihr Vater. Mit ihren Gefährten, keiner von ihnen älter als dreizehn oder vierzehn, stolzierten sie prahlerisch in Bayeux umher, arrogante Jungmänner mit prall gefüllten Taschen, schweren Schwertern und geschwollenen Schwänzen. Orm fand, dass sie so etwas wie eine Parodie der Godwine-Brüder waren. Vielleicht wäre die Welt ohne solche Rudel herausgeputzter Kriegerwelpen besser dran, sinnierte er.
Als Orm, der gelassen die Stadt durchsuchte, auf Godgifu stieß, waren Williams Söhne bei ihr.
Sie hatten sie offenkundig allein erwischt und an
die Steinmauer einer Kirche gedrängt. Godgifu schien keine Angst vor ihnen zu haben, sie sogar zu verachten, aber es waren viele, und sie sahen hungrig aus.
Robert, der älteste Sohn, trat näher an sie heran. »Englische Hündin«, sagte er in seinem gutturalen Fränkisch.
Sie schaute auf ihn herab. »Was willst du, Kleiner?«
»Ich will dich, du ledrige alte englische Schlampe.«
»Wenn du eine Hure willst, dann geh und such dir eine, sofern du deinen kleinen rosa Wurm bei ihr hochkriegst.«
Roberts Freunde lachten ihn aus, und er errötete. »Ich hatte schon alle Huren in diesem Schweinestall. Du wirst vor mir niederknien.«
Sie grinste. »Warum? Damit du drankommst?«
»Ich bin Robert, der Erbe von Herzog William!«, rief er. »Knie nieder!« Und er zog sein Schwert und hob es zu ihrer Kehle.
Auf einmal hatte sie ein Messer in der Hand, eine
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