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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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bestätigt.«
    »Es ist eine Familiensage«, erklärte Godgifu, an Orm gewandt. »Eine Geschichte. Ein Angehöriger unserer Familie, ein Priester namens Cynewulf, war zu jener Zeit an Alfreds Seite. Seither haben Alfreds Söhne, die Könige, das Menologium vergessen. Aber wir nicht – weder Sihtric noch unser Vater, ebenso wenig wie eine Reihe von Großvätern vor ihm, die bis zu Cynewulfs Vettern zurückreicht.«
    »Und was hat das alles mit mir zu tun?«
    »Dein Vorfahr war ebenfalls in die Sache verwickelt.«
    Er erzählte Orm die Geschichte von Egil, der Alfreds Halle bei Cippanhamm überfallen und dann bei Ethandune gegen die Engländer gekämpft hatte. Orm kannte die Geschichte natürlich – zumindest in der schmeichelhaften Version seiner Familie. Egil hatte viele Nachkommen gezeugt, darunter eine lange Reihe von Egils, von denen einer – sechs Generationen später
 – Orms Vater gewesen war. Der siebte war Orms älterer Bruder, der ebenfalls Egil hieß.
    »Die meisten Dänen können ebenso wenig lesen und schreiben wie die Normannen«, sagte Sihtric verächtlich. »Aber eure Familiensagen bewahren die Erinnerungen eurer Ahnen. Und wenn man ein Söldner ist, schadet es nichts, mit den Taten der Vorväter zu prahlen, nicht wahr? Schon gar nicht, wenn einer von ihnen sich mit König Alfred persönlich angelegt hat. Es war also nicht schwer, dich aufzuspüren, Orm, Sohn von Egil, Sohn von Egil.«
    »Ich weiß immer noch nicht, was du willst«, sagte Orm.
    Sihtric hob an, mit schneller Stimme von seiner Prophezeiung zu sprechen: von haarigen Sternen, Großen Jahren und rätselhaften Strophen. »Das Menologium stammt von einem Weber – diesen Namen haben ihm die Gelehrten gegeben –, der unsere Handlungen lenkt, um einen gewaltigen Plan zu erfüllen, dessen Ziele selbst ich noch nicht erkennen kann …«
    Godgifu schnitt ihm das Wort ab. »Sihtric glaubt, dass sich die wichtigsten Vorhersagen der Prophezeiung auf Geschehnisse beziehen, die jetzt – während unserer Lebenszeit – eintreten werden.«
    »Sogar schon in zwei Jahren«, erklärte Sihtric pedantisch. »Und die Prophezeiung besagt, dass du an diesen entscheidenden Ereignissen beteiligt sein wirst, Orm.«
    »Ich?«
    »Nun ja, solche wie du.« Sihtrics Augen glänzten.
»Noch ist mir nicht alles vollständig klar. Das Menologium ist gnomisch. Aber es kann kein Zufall sein, dass ein Nachkomme von Egil Egilsson in einer solchen Zeit hier ist. Ich weiß jedenfalls, dass es einen großen Kampf geben wird.«
    »In zwei Jahren, sagst du. Im Jahr tausendsechsundsechzig? Woher weißt du das?«
    »Die Prophezeiung enthält Daten«, antwortete Sihtric. »Und bei diesem historischen Zusammenprall wird Harold Godwineson eine zentrale Rolle spielen.«
    Orm leerte seinen Becher. »Mir dreht sich der Kopf«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob es an diesen normannischen Gewürzen oder an deinen englischen Worten liegt, Priester. Was meint Harold denn zu alledem?«
    Sihtric seufzte. »Er will nicht auf mich hören. Ich habe es versucht, aber er sträubt sich.«
    »Warum hältst du ihn für so wichtig? Wird er in der Prophezeiung namentlich erwähnt?«
    »Nein. Aber er ist der mächtigste Mann Englands – obwohl er nie König sein wird. Er möchte es nicht, und außerdem fließt Alfreds Blut nicht in seinen Adern …«
    All das hing mit der verworrenen Geschichte der königlichen Politik in England zusammen.
    Die Flucht nach Aethelingaig hatte sich als Englands dunkelste Stunde erwiesen. Alfred blieb als der erste und größte König eines vereinigten England im Gedächtnis, obwohl er ein zwischen Engländern und Dänen aufgeteiltes Land hinterlassen hatte. Es blieb seinen
Söhnen und Enkeln vorbehalten, das »Danelag« von den dänischen Herrschern zurückzuerobern – obwohl es ein für allemal unmöglich sein würde, die dänische Lebensweise, die dänische Sprache und das dänische Blut in der Bevölkerung auszumerzen.
    Doch während der Regentschaft von Alfreds Ururenkel Aethelred regte sich eine neue dänische Gefahr. Die dänischen Könige machten es sich zur Regel, in England einzufallen – und sie wurden in ihrer Entschlossenheit noch bestärkt, als Aethelred an einem dunklen Novembertag ein Massaker an allen Dänen in England befahl. Umfangreiche Angriffe führten zur Eroberung ganz Englands durch einen dänischen Monarchen namens Knut, und England gehörte für eine Generation zu einem Nordsee-Reich, das auch noch Dänemark und Norwegen

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