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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Tätigkeiten – man schärfte Klingen oder flickte Kleidungsstücke. Darüber hinaus waren die Dorfbewohner stolz auf einen kleinen Holzbau, unter dessen Mauern in Stein gefasste Abzugsrinnen hindurchliefen. Im Innern wurde Wasser auf brennende Scheite gegossen und dadurch in Dampf verwandelt. Selbst im tiefsten Winter wurde es darin so heiß, dass einem der Schweiß ausbrach, und Tag und Nacht drängten sich halbnackte Einwohner auf den Bänken.
    Hatten die Mönche von Lindisfarena eine Halle
oder eine Sauna? Wie sahen die Bäume auf Lindisfarena aus, von welcher Art war das örtliche Gestein? Sie wusste nichts über die Insel, nichts über Britannien. Sie wusste nicht einmal, wozu ein Mönch gut war. Sie brannte vor Neugier.
    Der Sklave hatte den Auftrag bekommen, die Schweine zu füttern. Er rührte mit einer langen Kelle in Eimern voller vergammeltem Fleisch und fauligem Gemüse. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Langeweile und Abscheu.
    Sein Name war Rhodri, wie sie erfahren hatte. Er war klein und schwarzhaarig, hatte einen Rundrücken und mochte etwa siebzehn oder achtzehn sein, ein paar Jahre jünger als sie. Er hatte regelmäßige Züge, eine ausgeprägte Kinnpartie und etwas zu große Ohren. Wenn die Winkel seines vollen Mundes nicht so mürrisch heruntergezogen gewesen wären, hätte er vielleicht sogar gut ausgesehen, dachte sie, wie einer dieser grüblerischen Briten.
    Rhodri bemerkte, dass Gudrid ihn ansah. Er hörte auf zu arbeiten, stützte sich auf seine lange Kelle und erwiderte ihren Blick verdrossen, aber auch offen und beinahe trotzig – und er musterte forschend ihren Körper. Sie war ein wenig schockiert; kein Sklave hatte es jemals gewagt, sie so anzusehen.
    »In dem Tempo wirst du nie mit dem Füttern fertig«, blaffte sie ihn an. »Verstehst du mich?«
    »Ja«, sagte er mit einem starken Akzent. »Ihr Germanen habt verschiedene Sprachen, aber für mich klingt ihr alle gleich.«

    »Wir sind keine Germanen. Wir sind Nordmänner. Oder Wikinger. Nach eurem Wort vik , was ›Meeresarm‹ bedeutet. Wir sind das Volk der Fjorde.«
    »Schön für euch.« Er gähnte. »Jedenfalls habe ich auf dem Schiff etwas von eurer Sprache aufgeschnappt.«
    »Auf dem Schiff meines Vaters.«
    Er hob die Augenbrauen. »Du bist Bjarnis Tochter? Welche – Gudrid, nicht wahr? Er hat von dir gesprochen.«
    »Du willst mir doch nicht erzählen, dass er sich mit einem wie dir unterhalten hat.«
    »Es ist ein kleines Schiff. Und ich habe große Ohren, auch wenn ich bloß ein Sklave bin.«
    Seine lässige Unverschämtheit begann sie zu ärgern. »Schade, dass er dir nicht beigebracht hat, wie man arbeitet.«
    »Ich arbeite doch«, fiel Rhodri ihr ins Wort. Seine Stimme klang jetzt gereizt. »Siehst du das nicht?« Er rieb sich den Bauch. »Meine Eingeweide sind noch völlig verkrampft von diesem Schiff. Bei Jesu Wunden, ich hab mich halb weggekotzt.«
    Sie schnaubte. »Du wirst dich schon erholen.«
    Er sah sie berechnend an. »Deinetwegen ist er doch überhaupt nur nach Lindisfarena gefahren. Irgendwas interessiert dich an der Insel.« Rhodri grinste spöttisch. »Eine Frau, die Interesse an etwas hat. Dein Mann hat gesagt, es sei schade, dass dein Bauch nicht so fruchtbar sei wie dein Kopf.«
    Sie unterdrückte ihren Zorn auf ihren Vater und ihren
Mann, weil die beiden vor einem Sklaven so über sie gesprochen hatten, und auf den Sklaven selbst, weil er es wiederholt hatte. »Pass auf, was du sagst«, fuhr sie ihn an. »Ich will mehr über Lindisfarena wissen. Erzähl mir davon.«
    Er überlegte. »Was ist es dir wert?«
    Sie war überrascht. »Glaubst du, ich feilsche mit einem Sklaven? Was es wert ist? Dass dir nicht die Haut vom Rücken gepeitscht wird!«
    »Schon gut, schon gut. Was willst du wissen?«
    »Wieso warst du dort? Warst du schon immer ein Sklave?«
    »Nein«, sagte er voller grotesker Empörung über diese Verdächtigung. »Ich bin frei geboren, in Gwynedd. Das ist ein britisches Königreich. Ich bin der Sohn eines Edelmanns. Ich bin Christ und habe lesen gelernt. Als ein germanisches Heer in unser Land eingefallen ist, bin ich gefangen genommen worden.«
    »Haben sie euer Heer geschlagen?«
    »Keine Ahnung.« Er stocherte träge im Schweinefutter. »Ohne mich haben sie wahrscheinlich besser gekämpft. Vielleicht wollten sie deshalb kein Lösegeld für mich zahlen.«
    Ein mercianischer Thegn, ein Gefährte von König Offa, hatte ihn zu sich genommen. Eine in gekränktem Ton vorgetragene Liste

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