Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
von Prügeln und anderen Strafen ließ jedoch darauf schließen, dass er schon immer ein schlechter Sklave gewesen war. Nach einer komplizierten Reihe von Weiterverkäufen landete er schließlich an der Ostküste Britanniens und wurde
nach Lindisfarena gebracht, wo er für die Dorfbewohner arbeitete. »Muschelsammler«, stöhnte Rhodri. »Bei Gottes Wunden, ich hasse Muschelsammler. Und Muscheln.«
    »Warst du beim Muschelsammeln genauso faul wie beim Schweinefüttern?«
    »War ich«, sagte er mit einem Anflug von Ehrlichkeit. »Eines Tages bin ich ein wenig zurückgeblieben, um die Körbe nicht tragen zu müssen, und wäre beinahe in der Flut ertrunken. Danach habe ich versucht, nur noch an ungefährlichen Orten zu faulenzen. Und als die Mönche dann herausfanden, dass ich lesen konnte, haben sie mich zu sich geholt. Sie haben mich dem obersten Muschelsammler abgekauft. Er ist ihnen mit dem Preis sehr entgegengekommen.«
    »Haben Mönche Sklaven?«
    »O nein. Sie haben mich frei gelassen und als Novizen aufgenommen.«
    Das war ein Wort, das sie nicht kannte. »Und warum?«
    »Hab ich dir doch gesagt. Ich bin Christ, und ich kann lesen. Selbst wenn ich nicht zur selben Gattung von Christen gehöre wie sie. Sie wollten mich umerziehen, damit ich einer von ihnen werde.« Er grinste. »Der angenehmste Ort, an dem ich gelebt habe, seit ich aus dem Bauch meiner Mutter gepurzelt bin.«
    »Und wie bist du dann hier bei den Schweinen gelandet?«
    Er stieß einen gespielten Klageseufzer aus. »Ich glaube, du kennst mich inzwischen. Der Klosteralltag ist
nicht sehr anstrengend, aber man langweilt sich einfach zu Tode. Ich habe so viel wie möglich ausgelassen und den Rest anderen übertragen. Aber am Ende hat mich der Abt erwischt und zu den Muschelsammlern zurückgeschickt. Selbst Dom Wilfrid konnte mich nicht retten.«
    Wie es schien, war Dom Wilfrid der Mönch, der die Aufsicht über die Novizen führte.
    »Dieser Wilfrid muss deine Laster deutlicher erkannt haben als jeder andere. Weshalb hätte er dich schützen sollen?«
    »Weil der arme, schwache Wilfrid selbst ein Laster hatte. Er gab zwar seine Weisheit an die Novizen weiter, wollte aber auch etwas von ihnen zurückhaben. Ins Rektum, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Sie war angewidert.
    Er zuckte die Achseln. »Es war besser als Muschelsammeln.« Erneut sah er sie lüstern an. »Vielleicht könnte ich mir ein paar Gefälligkeiten von dir verdienen. Ich war einer von Wilfrids Lieblingen. Meine Ohren sind nicht das einzige Große an mir, weißt du.«
    Blutroter Zorn erfüllte sie. »Nenn mir einen guten Grund, weshalb ich dir nicht auf der Stelle dein grinsendes Gesicht zerschlagen sollte.«
    »Weil du mich brauchst, um das zu bekommen, was du wirklich willst: Lindisfarena.«
    Gudrid war entsetzt. Noch nie hatte sie einen so manipulativen Menschen getroffen, schon gar keinen Sklaven. Aber er hatte natürlich recht.
    Sie wusste nicht, wie sie die Frage formulieren sollte.
»Hast du schon mal etwas von einem Menologium gehört? Von einer Prophezeiung, einer Sage von Ulf und Sulpicia?«
    Wieder diese berechnende Miene. »Auf dem Schiff hat dein Vater etwas davon erwähnt …«
    Sie erzählte ihm von der Sage von ihrem Vorfahren Ulf, dem Wanderer. Der starke, geschäftstüchtige Ulf war alt, fett und reich gestorben, als Besitzer vieler Rinder und Sklaven. Doch am Herdfeuer hatte er immer Geschichten von seiner Zeit in Britannien erzählt, von der schönen Sulpicia und der erstaunlichen Prophezeiung, die er gesehen und verloren hatte.
    Und Gudrid erzählte Rhodri von ihren Gesprächen mit Händlern, die auf der Segelstraße von Britannien und seinen vielen Inseln zurückgekommen waren, und von den faszinierenden Hinweisen, die sie zu dem Schluss gebracht hatten, dass die Prophezeiung von Mönchen niedergeschrieben worden war und möglicherweise im Kloster auf Lindisfarena aufbewahrt wurde.
    Rhodri hörte sich das alles an. »Nun, es klingt plausibel, dass deine Prophezeiung, wenn überhaupt irgendwo, auf Lindisfarena schriftlich festgehalten worden ist. Sie sind ständig am Schreiben, diese Mönche, kritzeln irgendwas hin, schreiben es ab und fertigen dann weitere Abschriften an. Es ist ein Bienenkorb aus Buchstaben, Tinte, Pergament und dem ewigen Kratzen von Griffeln.«
    Sie war verwirrt. »Warum tun sie das?«
    »Was, Sachen abschreiben? Ich weiß es nicht. Aber
es ist leichtere Arbeit, als die Felder zu pflügen, und ungefährlicher, als in den Krieg zu ziehen.

Weitere Kostenlose Bücher