Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
die Dänen waren, sie würden Alfred nicht noch einmal unvorbereitet antreffen.
    Cynewulf merkte, wie sich seine Lebensgeister ein wenig hoben. Dies war nicht gerade Eoforwic, wie Arngrim trocken bemerkte. Aber in diesem Burh, diesem befestigten Ort, war nichts von der Panik in jener Nacht der Flucht zu spüren.
    Ibn Zuhr rümpfte jedoch die Nase, weil es nach Sumpfgas stank. »Diese kleine Insel ist also alles, was von England übrig ist.«
    »Es reicht«, blaffte Arngrim. »Ich will nichts mehr von dir hören, Maure. Bring uns etwas zu essen und
frische Kleider und such einen Platz, wo wir uns ausruhen können. Und dann möchten wir mit dem König sprechen. Kümmere dich darum.«
    Der Maure gehorchte mit gesenktem Blick.

XI
    Alfred, König von Wessex, saß auf seinem Gabenthron, umgeben von Priestern und Schreibern. Er las ein Buch. Wie immer zeichneten seine Schreiber jedes Geschehnis auf, und die Priester sprachen leise Gebete.
    Cynewulf hatte mit Arngrim, Aebbe und Ibn Zuhr auf einer Metbank Platz genommen und wartete darauf, dass der König ihnen seine Aufmerksamkeit schenkte. Cynewulf sah, wie Alfred die Buchstaben in seinem Buch mit dem Finger nachfuhr und die Worte mit dem Mund formte. Schon im Kindesalter zur Waise geworden, war seine Ausbildung von den älteren Brüdern, die ihn aufgezogen hatten, vernachlässigt worden, sodass dieser gelehrteste aller Könige erst als junger Erwachsener gelernt hatte, Englisch und Latein zu lesen.
    Die »Halle« war eine Bruchbude aus dünnen Stämmen und schlaffen Zweigen von Weidenbäumen, verputzt mit Schlamm aus dem Sumpfboden. Aber der König machte eine hervorragende Figur. Behänge mit glänzenden Goldfäden zierten die Wände. Der Thron des Königs war eine Leihgabe seines zuverlässigen Unterstützers Aethelnoth. Alfred selbst trug Leder und
ein Kettenhemd, aber er glitzerte nur so von Juwelen, Schulterfibeln, Anhängern, Ringen und Armreifen.
    Für einen König kam es in erster Linie darauf an, welches Bild er von sich vermittelte. Und so trug Alfred mitten in diesem Sumpf seinen Schmuck und sprach seine Gebete, während die Dänen durchs Dickicht schlichen, um ihn zu ermorden.
    Cynewulf flüsterte Arngrim eine entsprechende Bemerkung ins Ohr.
    »Oh, ich glaube an Alfred«, erwiderte Arngrim unumwunden. »Mag sein, dass er beständig von Gott schwatzt, aber er stammt schließlich von Woden ab und besitzt eine tiefere Weisheit als jeder Priester. Denk nur an seinen Namen.«
    Alfred – Aelf-red  –, die Weisheit der Elfen.
    Cynewulf war verblüfft. »Das Menologium, Arngrim«, zischte er. »In der neunten Strophe gibt es eine Zeile, in der von Elfen-Weisheit die Rede ist …«
    »Nicht jetzt«, sagte Arngrim.
    Trotz des Gepränges drang der üble Gestank des Sumpfes sogar in diesen königlichen Raum. Alfred wirkte welk und verschrumpelt, und als er müde wurde, hustete er in ein Taschentuch, das, wie Cynewulf sah, mit Blut befleckt war.
    »Der König ist krank«, sagte Ibn Zuhr leise zu seinem Herrn.
    »Kannst du etwas für ihn tun, Maure?«
    Ibn Zuhr schüttelte den Kopf. »Es liegt an der schlechten Luft«, sagte er. »Wenn er von hier wegkäme, würde sich sein Zustand vielleicht bessern.«

    Der König blickte auf; ihr Gespräch hatte ihn gestört. Er schloss sein Buch mit einem Seufzer. »Entschuldige, dass ich dich warten ließ, Arngrim. Aber ich verliere mich einfach in den Worten.« Er hielt das Buch in die Höhe. »Uns geht allmählich das Pergament aus. Einige meiner Thegns möchten, dass ich meine Bücher zerreiße, damit der Strom der Befehle aufrechterhalten werden kann. Es ist schrecklich, Bücher den Notwendigkeiten des Krieges opfern zu müssen. Aber dieses hier nicht; neben der Bibel ist es das einzige Buch, ohne das ich nicht leben könnte, glaube ich. De Consolatione Philosophiae  – Der Trost der Philosophie , von Boethius. Hast du davon gehört?«
    »Ich bin nicht gerade jemand, den man als Bücherwurm bezeichnen würde, mein König«, knurrte Arngrim.
    Ibn Zuhr hüstelte. »Wenn ich darf, Herr?«
    Cynewulf staunte über die Dreistigkeit des Sklaven, vor einem König das Wort zu ergreifen. Aber Alfred gab dem Mauren mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er sprechen sollte.
    »Anicius Manlius Severinus Boethius«, sagte Ibn Zuhr mit klarer Stimme. »Ein römischer Gelehrter, der vor rund vierhundert Jahren gestorben ist. Er war Senator, ja sogar Konsul. Aber er hat zur Zeit der Vertreibung des letzten Westkaisers gelebt und unter

Weitere Kostenlose Bücher