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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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dem Ostrogoten Theoderich, König von Italien, gedient. Er hat Aristoteles übersetzt und sich ausführlich über die arianische Häresie geäußert ...«
    Arngrim knurrte wie ein Wolf. »Herr, ich bin nicht
sicher, ob die eingefrorenen Gedanken eines längst toten Römers jetzt eine große Hilfe für uns sind.«
    »Das ist der Irrtum der Analphabeten«, fauchte Alfred. »Und es ist der Grund, lieber Arngrim, warum du mir nicht näher bist.«
    Cynewulf spürte Arngrims Ärger.
    »Wie ist Boethius gestorben, Sklave?«
    »Er wurde hingerichtet«, sagte Ibn Zuhr.»Ich glaube, man hat ihn verdächtigt, mit dem oströmischen Kaiser Ränke gegen König Theoderich zu schmieden.«
    »Ja, ja. Und während er im Gefängnis saß, sogar während er dort auf den Tod wartete, schrieb er das hier, sein Meisterwerk. Welch ein Trost Boethius’ Philosophie jetzt für mich ist, mit ihren Seinsweisen jenseits der menschlichen und ihrem Traum von einem summum bonum , einem höchsten Gut, das in der Welt herrscht und sie ordnet. Selbst in einem Zeitalter der Katastrophen – selbst während er auf seine ungerechte Hinrichtung von der Hand eines Barbarenkönigs wartete –, arbeitete er weiter. Vielleicht ist dies der Weg, den ich einschlagen sollte, was meint ihr? Vielleicht sollte ich ins Exil gehen, wie der elende König Burghred von Mercien. Oder mich in einem Kloster einschließen und schreiben wie Beda. Denn manchmal denke ich, dass ich die Bücher mehr liebe als alles andere, ausgenommen meine Kinder.«
    Dieses von einem kranken Mann mit schwacher Stimme vorgetragene Gerede von Kapitulation erschreckte Cynewulf. Vielleicht waren sie keinen Augenblick zu früh gekommen.

    Arngrim empfand es anscheinend genauso. »Du sprichst von der Katastrophe, die Rom zu Boethius’ Zeit ereilt hat«, sagte er vorsichtig. »Wenn du dich jetzt von deiner Pflicht abwendest, mein König, wäre das eine englische Katastrophe nicht minder großen Ausmaßes.«
    Alfred schnaubte. »Ich würde meinen, du schmeichelst mir, Arngrim, wenn ich dich nicht zu sehr achten würde.«
    »Es ist die Wahrheit, Herr.«
    »Und, mein König«, sagte Cynewulf und stand nervös auf, »wir haben darum gebeten, heute mit dir sprechen zu können, weil wir einen Beweis haben  – einen Beweis dafür, dass du weiterkämpfen musst. Einen Beweis dafür, dass du siegen musst .«
    Alfred funkelte ihn an. »Cynewulf, nicht wahr? Du bringst mir eine Prophezeiung, wie ich höre. Du solltest mich besser kennen, wenn du glaubst, mich mit Hinweisen aufs wyrd ablenken zu können. Ich habe jede Menge halb bekehrter Heiden an meinem Hof, die mir Weissagungen ins Ohr flüstern.«
    »Ich bin Priester«, sagte Cynewulf trotzig. »Was ich dir bringe, ist eine Offenbarung von Gottes Vorsehung, wie ich glaube.«
    »Dann zeig sie mir«, sagte der König barsch.
    Cynewulf seufzte. »Ich kann sie dir nicht zeigen, Herr. Aber ich kann sie dir vortragen.« Er drehte sich zu Aebbe um.
    Erneut gab es einen Augenblick atemloser Spannung. Aebbe hatte seit Eoforwic kein Wort mehr gesagt.
Wenn sie sich jetzt zu sprechen weigerte, war alles verloren.
    Doch zu seiner ungeheuren Erleichterung stand sie auf, sah den König an und begann mit klarer, aber rauer Stimme das Menologium der Isolde zu rezitieren:
    »Dies sind die Großen Jahre / von Gottes Kometen
Majestätisch und schön / im Dach der Welt
Erhellt Schritt für Schritt er / den Weg zum Reich
Einem arischen Reich / CHRISTI RUHM ...«
    Alfred hörte sich ein paar Zeilen an. Dann befahl er dem Mädchen, noch einmal von vorn zu beginnen, damit er sicher sein konnte, dass seine Schreiber die Worte akkurat aufzeichneten. Bei ihm arbeiteten immer zwei Schreiber zusammen, die abwechselnd jeweils einen Satz festhielten und später dann einen gemeinsamen Bericht zusammenstellten.
    Als sie fertig war, nickte Alfred. »Und das habt ihr mir gebracht, diese Knittelverse?«
    Arngrim sagte trocken: »Es sind nicht die poetischen Qualitäten der Prophezeiung, die nach Ansicht des Priesters deiner Aufmerksamkeit würdig sind, Herr, sondern ihre Vorhersagen.«
    »Es klingt wirklich seltsam präzise«, sagte Alfred. »All diese Auflistungen von Monaten! Lassen sich diese ›Großen Jahre‹ in Bedas System übersetzen, Cynewulf, in die Jahre unseres Herrn?«
    »O ja«, sagte Cynewulf mit fester Stimme und erklärte, wie die Zeitfolge des Menologiums von Gelehrten
der Vergangenheit ermittelt worden war. »Man muss Additionen vornehmen, um die Daten herauszufinden

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