EROBERT VON EINEM ITALIENISCHEN GRAFEN
kam Caio auf sie zu, blieb aber ruckartig stehen. Nun erkannte Laura, dass er an der Bank angebunden war. Dort standen auch eine Schüssel mit Trockenfutter und ein leerer Wassernapf.
„Um Himmels willen!“, rief Laura aufgebracht. Sie mochte Caio zwar nicht besonders. Trotzdem verdiente er es nicht,hier draußen fast zu verdursten.
Vorsichtig hielt sie sich außerhalb der Reichweite seiner scharfen Zähne, streckte die Arme aus und ergriff den Napf. Nachdem Laura ihn in ihrem Bad mit frischem Wasser gefüllt hatte, trug sie ihn wieder zur Bank. Caio knurrte wieder, doch es klang nur halbherzig. Misstrauisch fixierte er den Napf. Nachdem Laura ihn vorsichtig abgestellt hatte, benutzte sie die Haarbürste, um ihn näher zu dem kleinen Hund zu schieben. Denn sie traute Caio ebenso wenig wie er ihr. Caio winselte leise, dann steckte er die Schnauze in den Napf und schlabberte hastig das Wasser.
Als er es bis auf den letzten Tropfen getrunken hatte, blickte er Laura flehend an. Das könnte mich einen Finger kosten, dachte sie, griff aber trotzdem den Napf, um ihn nochmals zu füllen. Caio dachte gar nicht daran, nach ihr zu schnappen.
„Du Armer“, sagte sie leise, als er kurz darauf wieder durstig trank. „Ich wette, dein Frauchen hat dich völlig vergessen!“
Zwar war Caio mit einer ziemlich langen Leine angebunden. Nur hatte die sich mehrmals um das eine Bein der Bank gewickelt und verkleinerte den Radius, in dem sich der Hund bewegen konnte.
Würde Caio ihr erlauben, die Leine loszumachen? Laura musste es versuchen. Sie konnte ihn doch nicht hier draußen in der Hitze lassen. Da Laura gehört hatte, es würde Hunde aggressiv machen, wenn man sie direkt ansah, setzte sie sich ans eine Ende der Bank und rückte langsam näher zum Hund. Während Laura beruhigend auf ihn einredete, hielt sie ihm die Hand hin. Zögernd schnupperte er zuerst an ihren Fingern. Als sie vorsichtig seinen Kopf streichelte, ließ er es sich gefallen.
„Du bist verzogen und lästig“, sagte sie zu ihm, „aber du hast anscheinend kein leichtes Leben.“ Dann tastete sie nach seinem Halsband und machte die Leine los. Caio gab einen Laut von sich, der wie Bellen und gleichzeitiges Winseln klang,und stürmte über den Hof in den angrenzenden Garten.
Und von da aus wahrscheinlich in die große weite Welt, dachte Laura bestürzt und lief ihm nach. Was sollte sie tun, wenn sie Caio nicht mehr fand? Signora Vicente würde ihr auf jeden Fall vorwerfen, dass sie den Hund losgemacht hatte, was ja stimmte. Zu kontern, der arme Hund wäre vernachlässigt worden, würde die Situation nicht retten.
Laura wusste nicht, wie ausgedehnt der Garten sei und ob er ringsherum eingezäunt war. Was, wenn Caio in den Bergwald lief und von einem Wolf gefressen wurde?
Das hat man davon, wenn man sich einem Hund gegenüber als barmherziger Samariter aufspielt, dachte sie. Außer Atem, erreichte sie das Ende des Hofs – wo sie beinah mit Alessio zusammenstieß, der vom Garten her kam. Unter dem Arm trug er den sich windenden Caio.
„Sie haben ihn gefunden!“, rief Laura erleichtert.
„Ich bin beinah über ihn gefallen. Wo ist er denn hergekommen?“
„Er war an die Bank im Hof gebunden. Ich wollte es ihm bequemer machen, da ist er einfach weggelaufen.“
„Er war hier draußen – bei der Hitze?“ Alessio blickte zur Bank. „Na ja, wenigstens hatte er Wasser. Oder etwa nicht?“
„Jetzt hat er welches, und nur darauf kommt es an.“ Plötzlich war Laura sich überdeutlich bewusst, dass sie nur den dünnen Bademantel trug und das Haar ihr feucht auf die Schultern hing. „Dann lasse ich Caio jetzt bei Ihnen, okay?“
„Moment! Weshalb sind Sie eigentlich draußen?“
„Weil ich nicht schlafen konnte, habe ich mir die Haare gewaschen und wollte sie in der Sonne trocknen lassen.“
Alessio zog die Brauen hoch. „Warum haben Sie nicht Emilia gebeten, Ihnen einen Föhn zu bringen?“
„Auch ohne sich um mich kümmern zu müssen, hat Emilia genug zu tun. Außerdem ist Siesta-Zeit. Aber da wir gerade davon reden – weshalb sind Sie denn draußen?“
„Ich konnte auch nicht schlafen“, antwortete er und betrachtete dann den Hund. „Was unter den Umständen ein Glück war.“
„Wie man’s nimmt. Sie haben seine Flucht in die Freiheit vereitelt. Armer Caio!“ Laura hielt dem Hund die Hand hin, und zu ihrer Überraschung leckte er ihr die Finger.
„Sie scheinen einen neuen Freund gewonnen zu haben.“ Alessio klang amüsiert. „Jetzt
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