EROBERT VON EINEM ITALIENISCHEN GRAFEN
stecken konnte, wenn sie ihn nicht brauchte. Außer der notwendigen Sonnencreme hatte sie nur Mascara und einen Hauch rosa Lipgloss aufgetragen. Nicht einmal die Signora kann an meinem Aussehen etwas aussetzen, ging es ihr durch den Kopf, als die Fahrt schweigend fortgesetzt wurde.
Im Auto brauchen wir keine Klimaanlage, Paolos Mutter könnte die Temperatur mit einem einzigen Blick auf den Nullpunkt bringen, überlegte Laura und überschlug, wie sauer verdient das Geld für die Exkursion ihres Bruders war.
Als sie jedoch nach Umbrien kamen, war Laura von der schönen Landschaft überwältigt und dachte an nichts anderes mehr. Dicht bewaldete Berge in sämtlichen Schattierungen von Grün erstreckten sich bis zum Horizont. Viele waren von Städtchen und Dörfern gekrönt, die sich an die felsigen Gipfel zu klammern schienen.
Nach einer halben Stunde Fahrzeit gelangten sie nach Besavoro, einem größeren Ort an einem Nebenfluss des Tiber. Um einen zentralen Platz waren die Häuser Besavoros gruppiert, auf dem gerade ein Markt stattfand.
Nachdem sie den Ort hinter sich gelassen hatten, begann die Straße steil anzusteigen und sich den Berg hinaufzuwinden. Ab und zu fuhren sie an einem Gehöft vorbei. Ansonsten war es eine schroffe Gegend mit felsigem Gelände auf der einen Seite und einem – nur von einer niedrigen Mauer gesicherten – Steilhang auf der anderen. Beinah senkrecht unter sich konnte Laura die Dächer Besavoros sehen und den Fluss, der nur noch wie ein schmales Band wirkte.
Als sie hinunterblickte, fiel ihr Paolos Bemerkungen, dieStraße sei eine wahre Todesfalle. Laura war froh, dass der Chauffeur Giacomo den Wagen ruhig und sicher lenkte.
„Wir sind beinah da“, bemerkte Signora Vicente plötzlich überraschend und lächelte leicht. „Sie sind sicher schon gespannt auf Ihr Feriendomizil. Ich hoffe, es entspricht Ihren Erwartungen.“
Laura freute sich, überhaupt beachtet zu werden. „Ist die Villa schon lange in Familienbesitz?“, erkundigte sie sich höflich.
„Ja, seit Generationen. Im Lauf der Zeit ist sie umgebaut und erweitert worden. Ursprünglich soll es eine Einsiedelei gewesen sein, in die sündige Mönche geschickt wurden, um Buße zu tun.“
„Ich kann mir vorstellen, wie sie sich gefühlt haben“, mischte Paolo sich ein. „Dass Alessio hier auch nur eine Stunde vergeudet, wundert mich. Er hat noch nie im Leben etwas bereut.“
Seine Mutter zuckte die Schultern. „Da er einen Teil seiner Kindheit hier verbrachte, verknüpft er vielleicht schöne Erinnerungen mit dem Haus.“
„Er war doch nie wirklich Kind“, meinte Paolo. „Und seine Erinnerung reicht immer nur bis zum Vorabend. Sieh mal, Laura, Liebling! Da unten zwischen den Bäumen kannst du das Haus schon erkennen.“
Flüchtig sah sie hellrosa Mauerwerk zwischen dem Laub schimmern und hielt wie verzaubert einen Augenblick den Atem an. Es ist ein magischer Ort, der nur darauf wartete, dass ich den Bann löse, dachte Laura unwillkürlich und musste dann unwillkürlich über ihre absurde Fantasie lächeln.
In der klaren Luft war das Motorengeräusch unüberhörbar. Da kommen meine ungebetenen Gäste, dachte Alessio. Gereizt erhob er sich von der Liege und zog widerstrebend seine alte Tennisshorts an. In den vergangenen Tagen hatte er Freiheit und Einsamkeit in vollen Zügen genossen. Er hatte sich sowohl nackt sonnen als auch ohne Badehose schwimmenkönnen. Denn Guillermo und Emilia, das Haushälterehepaar, hätten es niemals gewagt, seine Privatsphäre zu stören.
Nun war es mit dem Alleinsein vorbei.
Bis zur letzten Minute hatte er gehofft, dass der Albtraum nicht wahr würde. Dass sich Paolo und seine Freundin streiten würden oder dass Tante Lucrezia die junge Frau auf Anhieb wie ein Tochter liebte … egal, was – Hauptsache, er wäre aus dem Schneider.
Lucrezias Anruf hatte seine Hoffnungen am Vorabend zerstört. Beinah war sie hysterisch gewesen und hatte das Mädchen als geldgieriges, ordinäres Biest aus der untersten Schublade bezeichnet. Clever, natürlich, denn Laura wolle ihren Paolo in die Ehefalle locken.
„Ich will, dass die Engländerin vernichtet wird“, hatte Lucrezia gezischt. „Mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden.“ Dann hatte sie nochmals klargemacht, dass sie Alessios flüchtige Affäre mit Vittoria publik machen würde, falls er ihr nicht half.
Fast hätte er geantwortet, er würde lieber Vittoria loswerden – die sich als zu anhänglich erwies und ihn mit Anrufen und
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