Eros und Evolution
als vage Hinweise auf das, was tatsächlich geschieht. Allerdings scheint der Spracherwerb eine entscheidende Rolle zu spielen. Sprache ist die menschlichste und daher auch die jüngste Errungenschaft unseres Verstandes – eine Eigenschaft, die wir in dieser Form mit keinem anderen Menschenaffen teilen. Sprache dringt allem Anschein nach in das Gehirn ein wie ein einmarschierender Barbar und verdrängt dabei andere Fertigkeiten – Testosteron scheint dem zu widerstehen. Was auch immer tatsächlich geschieht, es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß ein Durchschnittsjunge von fünf Jahren ein Gehirn hat, das sich von dem eines durchschnittlichen Mädchens in demselben Alter stark unterscheidet.
Und doch ist der Testosteronspiegel eines durchschnittlichen Jungen von fünf Jahren sehr viel niedriger als bei seiner Geburt und unterscheidet sich in seiner Höhe nicht von dem eines gleichaltrigen Mädchens. Der Testosteronstoß im Mutterleib liegt lange zurück, und bis zum Alter von elf oder zwölf Jahren wird es hinsichtlich der Testosteronkonzentration nur wenig Unterschiede zwischen den Geschlechtern geben. Ein elfjähriger Junge ist einem gleichaltrigen Mädchen in dieser Hinsicht ähnlicher, als er es je in seinem Leben war oder sein wird. Er hat dasselbe Bildungsniveau und ähnliche Interessen. Man kennt sogar ein medizinisches Beispiel dafür, daß ein Mensch in diesem Alter noch die Fähigkeit besitzt, sowohl als typischer Mann als auch als typische Frau heranzuwachsen – trotz aller hormonbedingten Unterschiede in der frühen Kindheit. Dieses Beispiel findet sich in der Dominikanischen Republik und besteht aus achtunddreißig Fällen einer seltenen, genetisch bedingten Erkrankung namens 5-α-Reduktasemangel.
Dieser Enzymdefekt läßt seinen Träger ungewöhnlich unempfindlich gegenüber den pränatalen Wirkungen des Testosterons werden. Als Folge davon werden die Männer mit weiblichen Geschlechtsorganen geboren und wachsen als Mädchen auf. In der Pubertät steigt ihr Testosteronspiegel jedoch plötzlich an, und sie entwickeln sich zu nahezu normalen Männern (der Hauptunterschied zu anderen Männern besteht darin, daß die Ejakulation durch eine Öffnung am Penisansatz erfolgt.) Obwohl diese Männer eine Kindheit als Mädchen hinter sich haben, haben sie sich großenteils relativ problemlos in ihre männliche Rolle in der Gesellschaft hineingefunden, was die Vermutung nahelegt, daß entweder das Gehirn bereits maskulinisiert gewesen sein muß, als die Genitalien noch nicht männlich waren, oder daß ihr Gehirn noch in der Pubertät anpassungsfähig war. 19
Die Pubertät trifft einen jungen Mann wie ein Paukenschlag. Seine Hoden senken sich, seine Stimme bricht, er schießt wie Unkraut in die Länge, sein Körper wird behaart, und er verliert an Fettgewebe. Die Ursache all dessen ist eine wahre Testosteronflut, die von den Hoden produziert wird. Zu diesem Zeitpunkt hat er die zwanzigfache Testosteronmenge im Blut verglichen mit gleichaltrigen Mädchen. Die Wirkung all dessen besteht in der Entwicklung des intellektuellen Negativs, das seit der Hormondosis im Mutterleib in seinem Kopf lagert und seinen Verstand nun zu dem eines erwachsenen Mannes werden läßt 20
Sexismus und das Leben im Kibbuz
Nach ihren Ambitionen befragt, gaben Männer aus sechs verschiedenen Kulturkreisen im großen und ganzen die gleichen Antworten. Sie wollten praktisch veranlagt sein, gewitzt, selbstsicher, dominant, kompetitiv, kritisch und selbstbeherrscht. In erster Linie strebten sie nach Macht und Unabhängigkeit. Frauen derselben Kulturkreise wollten zärtlich sein, liebevoll, spontan, mitfühlend und großzügig. Sie wollten in erster Linie der Gesellschaft nützlich sein. 21 Studien über männliche Konversation stellten fest, daß diese bevorzugt öffentlich stattfindet (das heißt, daß Männer sich zu Hause verschließen), daß sie dominierend ist, wettbewerbsorientiert, statusbewußt, aufmerksamkeitheischend, sachbezogen und dazu angelegt, Wissen und Fertigkeiten sichtbar werden zu lassen. Weibliche Konversation findet vor allem auf privater Ebene statt (das heißt, Frauen verschließen sich in großen Gruppen), festigt Beziehungen und ist kooperativ, beruhigend, einfühlsam, gleichberechtigt und unterliegt einem Selbstzweck (schließt also ein Gespräch um des Gesprächs willen ein). 22
Natürlich gibt es dabei Ausnahmen und Überlappungen. So wie es Frauen gibt, die größer als Männer sind, so gibt es auch
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