Eros und Evolution
zwischen Mann und Frau maßzuschneidern. Man müßte lediglich allen Schwangeren die richtige Hormondosis injizieren, und das Ergebnis wären Männer und Frauen mit unterschiedlichen Körpern, aber mit identischen weiblichen Gehirnen. Krieg, Vergewaltigung, Boxen, Motorsport und Pornographie wären schon bald vergessen. Ein feministisches Paradies wäre angebrochen.
Männliche Negative
Die Wirkung dieser doppelten Testosteronladung auf das männliche Gehirn ist dramatisch: Schon vom ersten Tag an unterscheiden sich Jungen und Mädchen. Weibliche Säuglinge sind stärker am Lächeln, an der Kommunikation und an Menschen interessiert, männliche hingegen an Dingen und Ereignissen. Angesichts der Bilder vieler verschiedener Dinge wählen Jungen die Gegenstände, Mädchen die Menschen. Jungen sind stets und ständig dabei, Dinge auseinanderzunehmen, zu zerstören, in Besitz zu nehmen und für sich zu reklamieren. Mädchen sind von Menschen fasziniert und behandeln ihre Spielsachen als Menschenersatz. Um beider Mentalität gerecht zu werden, haben wir deshalb Spielsachen erfunden, die dem jeweiligen Geschlecht entsprechen. Wir schenken den Jungen Traktoren, den Mädchen Puppen. Wir verstärken die Neigungen, die sie haben, aber wir schaffen diese nicht.
Alle Eltern wissen das. Hilflos müssen sie mitansehen, wie ihr Sohn jeden Stock in ein Gewehr oder ein Schwert umfunktioniert, während ihre Tochter jeden leblosen Gegenstand liebevoll umfängt, als sei er ihre Puppe. Eine Mutter schrieb am 2. November 1992 folgende Zeilen an den Independent: »Ich wüßte gerne, ob irgend jemand unter Ihren gebildeteren Lesern mir erklären kann, weshalb bei meinen Zwillingen, seit sie alt genug sind, um nach Dingen zu greifen, er unausweichlich die Auto/Zug-Gegenstände nimmt, während sie die Puppe/Teddy-Sachen bevorzugt, wenn man beide zusammen auf eine Krabbeldecke voller ›Mädchen‹- und ›Jungen‹-Spielsachen legt.«
Die Gene lassen sich nicht verleugnen. Und doch gibt es natürlich keine Gene, die jemandem beibringen, Gewehre oder Puppen zu mögen, es gibt nur Gene, die männliche Instinkte dazu veranlassen, Männer nachzuahmen, oder weibliche Instinkte dazu, weibliches Verhalten nachzuahmen.
In der Schule sind Jungen im Vergleich zu Mädchen unruhig, schwierig, unaufmerksam und lernen langsam. Neunzehn von zwanzig hyperaktiven Kindern sind Jungen. Viermal so viele Jungen wie Mädchen sind lernbehindert oder zeigen eine Leseschwäche. »Bildung ist fast schon eine Verschwörung gegen die Fähigkeiten und Neigungen eines Schuljungen«, schrieb die Psychologin Dianne McGuiness, eine Feststellung, der nahezu jeder Mann, der sich an seine Schulzeit erinnert, nur aus vollem Herzen zustimmen kann. 17
Noch eine andere Tatsache beginnt sich im Schulalter herauszukristallisieren. Mädchen schneiden besser ab, wenn es um sprachbezogenes Lernen geht, Jungen bei mathematischen und bei einigen räumlich orientierten Fertigkeiten. Jungen haben ein besseres Abstraktionsvermögen, Mädchen sind literarisch begabter. Jungen mit einem zusätzlichen X-Chromosom (XXY anstelle des normalen XY) haben weitaus bessere verbale Fähigkeiten als normale Jungen. Mädchen mit dem Turner-Syndrom (XO anstelle von XX) schneiden bei räumlichen Aufgabenstellungen noch schlechter ab als normale Mädchen. Mädchen, die im Mutterleib hohen Konzentrationen männlicher Hormone ausgesetzt waren, tun sich leichter beim Lösen räumlicher Probleme. Jungen, die weiblichen Hormonen ausgesetzt waren, schneiden bei solchen Aufgaben schlechter ab. Diese Tatsachen wurden von Pädagogen zunächst angezweifelt und schließlich verschwiegen. Einer Wissenschaftlerin zufolge hat man damit sowohl den Jungen als auch den Mädchen mehr geschadet als geholfen. 18
Auch das Gehirn selbst entwickelt merkwürdige Unterschiede. Bei Mädchen ist die Verteilung der Hirnfunktionen diffuser als bei Jungen, in deren Köpfen sie sehr viel klarer lokalisiert erscheinen. Bei Jungen entwickeln sich beide Gehirnhälften unterschiedlich und weisen eine stärkere Spezialisierung auf. Das Corpus callosum, das beide Hemisphären miteinander verbindet, ist bei Mädchen größer als bei Jungen.
Es hat den Anschein, als isoliere Testosteron bei einem Jungen die rechte Hemisphäre, um sie vor dem Übergriff durch die verbalen Fertigkeiten der linken Hemisphäre zu bewahren.
Diese Fakten sind bei weitem nicht ausreichend und viel zu unsystematisch, als daß sie etwas anderes darstellen könnten
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