Eros und Evolution
Frauen, deren Konversation Selbstsicherheit ausstrahlt, und Männer mit Einfühlungsvermögen. Aber so wie es trotz allem zulässig ist, die Verallgemeinerung zu treffen, daß Männer im Durchschnitt größer sind als Frauen, so ist es nicht weniger zulässig zu argumentieren, daß die oben angeführten Eigenschaften das männliche und das weibliche Wesen ziemlich zutreffend charakterisieren. Manche davon sind sicher auf den Unterschied zwischen Jagen und Sammeln zurückzuführen, dem charakteristischsten aller geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Menschen. So kann es zum Beispiel kein Zufall sein, daß Männer Jagen, Angeln und den Genuß von Fleisch so viel höher schätzen als Frauen. Andere Eigenschaften haben eine jüngere Vergangenheit und reflektieren die sozialen Normen, welche die Geschlechter sich selbst durch Gruppenzwang und Bildung (die nicht immer so geschlechtsblind war, wie sie sich heute zu geben versucht) auferlegt haben. Das männliche Streben nach Selbstbeherrschung ist zum Beispiel möglicherweise ein modernes Attribut, der Erkenntnis entspringend, daß sein Wesen einer gewissen Kontrolle bedarf. Andere mögen ursprünglicher sein und Muster reflektieren, die wir mit anderen Menschenaffen gemeinsam haben, mit Pavianen hingegen nicht: zum Beispiel die Tatsache, daß eine Frau mit der Heirat in aller Regel ihre Gruppe verläßt, um zu ihrem Mann zu gehen, während Männer unter Verwandten leben. Wieder andere sind möglicherweise noch urtümlicher und sind allen Säugern und manchen Vögeln gemein, wie zum Beispiel die Tatsache, daß Frauen die Kinder großziehen, während Männer mit anderen Männern um Frauen konkurrieren. Mit Sicherheit ist es kein Zufall, daß Männer ihrem Rang innerhalb der Hierarchie eine kolossale Bedeutung beimessen und daß männliche Schimpansen sich innerhalb strenger Dominanzhierarchien nach oben zu kämpfen versuchen.
Das israelische Kibbuzsystem hat sich als ein großes natürliches Experiment zur Dauerhaftigkeit von Geschlechterrollen erwiesen. Ursprünglich waren Männer und Frauen aufgefordert gewesen, sich im Kibbuz aller überkommenen Geschlechterrollen zu entledigen: Haarschnitt und Kleidung waren für beide Geschlechter gleich; Jungen hielt man dazu an, friedlich und sensibel zu reagieren, Mädchen wurde ein burschikoses Wesen zuerkannt. Männer übernahmen die Lasten des Haushalts, Frauen gingen zur Arbeit. Drei Generationen später aber haben sich diese Bestrebungen weitgehend gelegt, und das Leben im Kibbuz ist genaugenommen sexistischer als das Leben im übrigen Israel.
Die Menschen sind zu den Stereotypen zurückgekehrt. Männer politisieren, während Frauen zu Hause bleiben. Jungen studieren Physik und werden Ingenieure, während Mädchen Soziologie studieren und Lehrerinnen oder Krankenschwestern werden. Frauen sorgen sich um Moral, Gesundheit und Bildung im Kibbuz, während Männer sich um Finanzen, Sicherheit und Geschäfte kümmern. Für manche Leute ist das rasch erklärt: Die Betreffenden haben einfach gegen das aufbegehrt, was ihnen die Eltern exzentrischerweise vorgeschrieben haben. Diese Erklärung ist allerdings in gewissem Sinne herablassend, behandelt sie doch die Handelnden nicht als Anwälte in eigener Sache, die sich ihren Neigungen entsprechend verhalten. Im Kibbuz putzen Frauen die Wohnungen, weil sie sich – wie überall sonst auch – darüber beklagen, daß Männer dies nicht ordentlich genug machen. Männer im Kibbuz putzen nicht, weil sie sich – wie Männer überall auf der Welt auch – darüber beklagen, daß sie sich, wenn sie es denn täten, von ihren Frauen anhören müßten, sie hätten es nicht ordentlich genug gemacht. 23
Die Kibbuzim sind übrigens nicht die einzigen. Sogar im liberalen Skandinavien sind es die Frauen, die für die Familie kochen, waschen und die Kinder betreuen. Selbst dort, wo Frauen zur Arbeit gehen, gibt es einige Berufe, die nach wie vor eher männliche Bastionen sind (Automechaniker, Fluglotse, Testfahrer, Architekt), während andere eher weibliche Bastionen bilden (Hebamme, Grundschullehrerin, Sekretärin, Friseuse). Es wird allmählich immer unglaubwürdiger, darauf zu beharren, es seien soziale Vorurteile, die Frauen daran hinderten, Automechaniker zu werden. Frauen wollen diesen Beruf einfach seltener ergreifen.
Sie wollen es deshalb nicht, weil die Autowerkstatt für sie eine wenig einladende »Männerwelt« darstellt, in der sie sich nicht willkommen fühlen. Warum aber ist es eine
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