Eros und Evolution
Wohlstand: Die Gleichung ist nicht allzuschwer zu lösen. 35
Das Modegeschäft
Erneut sind wir bei einem altbekannten Paradoxon angelangt. Evolutionsbiologen und Kunsthistoriker sind sich darüber einig, daß es bei der Mode um nichts anderes geht als um die Präsentation von Statussymbolen. Weibliche Kleidung folgt jedoch der Mode stärker als männliche. Nun suchen aber Frauen nach Hinweisen auf den Status – die der Mode unterworfen sind –, während Männer Hinweise auf die Fruchtbarkeit suchen, die nicht der Mode unterworfen sind. Männern sollte es somit gleichgültig sein, was Frauen tragen, solange diese eine glatte Haut haben, schlank, jung, gesund und im Prinzip zu haben sind.
Frauen sollte es überhaupt nicht gleichgültig sein, was Männer tragen, denn die Kleidung verrät eine Menge über den sozialen Hintergrund, Wohlstand, Sozialstatus und sogar über die Ambitionen ihres Trägers.
Weshalb folgen Frauen Modetrends dann soviel bereitwilliger als Männer?
Zu dieser Frage fallen mir verschiedene Antworten ein. Erstens, daß die Theorie schlicht falsch sein mag und Männer Statussymbole vorziehen, während Frauen auf den Körper schauen. Möglich, doch steht dem eine beachtliche Menge an Beobachtungen entgegen. Zweitens, daß weibliche Mode vielleicht überhaupt nichts mit Statussymbolen zu tun hat.
Drittens, daß sich moderne westliche Gesellschaften möglicherweise zwei Jahrhunderte lang auf einem Irrweg befunden haben und nun allmählich beginnen, sich davon zu erholen. Im Regency-England, im Frankreich von Louis XIV., im mittelalterlichen Christentum, im antiken Griechenland oder bei den modernen Yanonamö folgten (und folgen) Männer der Mode ebenso bereitwillig wie Frauen. Männer trugen grelle Farben, fließende Gewänder, Juwelen, kostbare Stoffe, prachtvolle Uniformen und glänzende, reich verzierte Waffen. Die Jungfrauen, die sich von den Rittern retten ließen, waren um nichts modischer gewandet als ihre Liebhaber. Erst zu Zeiten Königin Viktorias wurde das männliche Geschlecht von der tödlichen Uniformität des schwarzen Gehrocks und seines jämmerlichen modernen Nachfolgers, dem grauen Anzug, infiziert, und erst in unserem Jahrhundert bewegten sich die Kleidersäume bei den Frauen wie Jo-Jos auf und ab.
Das alles legt die vierte und eindrucksvollste Erklärung nahe: Frauen haben in der Tat mehr Interesse an Kleidern als Männer, doch statt das jeweils andere Geschlecht mit ihren Betrachtungen zu beeinflussen, nehmen sie Einfluß auf das eigene. Jedes Geschlecht steuert das eigene Verhalten mit eigenen Präferenzen. Man weiß aus Experimenten, daß Männer glauben, Frauen legten sehr viel Wert auf die äußere Erscheinung, was aber so sehr gar nicht der Fall ist. Frauen sind der Ansicht, Männer legten mehr Wert auf Statussymbole, als dies der Wirklichkeit entspricht. Somit lebt jedes Geschlecht möglicherweise seine Instinkte in der Überzeugung aus, das andere Geschlecht möge dasselbe wie das eigene.
Es gibt ein Experiment, das diese Vorstellung stützt, der zufolge Mann und Frau ihre eigenen Vorlieben fälschlicherweise für die des anderen Geschlechts halten. April Fallon und Paul Rozin von der University of Pennsylvania zeigten vierhundert Studenten vier einfache Strichzeichnungen von männlichen und weiblichen Körpern in Badekleidung. In beiden Fällen unterschieden sich die Figuren nur durch ihre Körperfülle. Sie baten die Testpersonen, ihre derzeitige Figur anzugeben, ihre Idealfigur zu benennen, ferner diejenige, von der sie annahmen, sie erscheine dem anderen Geschlecht am attraktivsten, und schließlich die Figur des anderen Geschlechts, die sie jeweils für die attraktivste hielten. Bei den Männern waren die eigene, die Ideal- und die vermutlich attraktivste Figur ein und dieselbe: Männer sind im Durchschnitt mit ihrer Figur zufrieden. Das tatsächliche Gewicht der Frauen, die am Test beteiligt waren, lag wie erwartet über dem Gewicht, das sie für das Traumgewicht aus der Sicht des Mannes hielten, welches aber noch immer über ihrem eigenen Idealgewicht lag. Seltsamerweise irrten sich beide Parteien bei der Einschätzung dessen, was ihrer Ansicht nach das andere Geschlecht am liebsten mochte. Männer sind der Ansicht, Frauen bevorzugten einen massiveren Körperbau, als diese tatsächlich angaben; Frauen sind der Ansicht, Männer bevorzugten schlankere Frauen, als dies wirklich der Fall ist. 36
Solche Fehleinschätzungen können allerdings nicht die gesamte
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