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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Menschenaffen weisen ein komplexes Verhalten auf, das sich durch Kommunikation und Manipulation, durch Täuschungsmanöver und langfristige Beziehungen auszeichnet; eine auf solchen sozialen Komplexitäten basierende Selektion zur Entwicklung machiavellistischer Intelligenz müßte auch bei anderen Menschenaffen und Affen ein weit größeres Gehirn fordern, als tatsächlich beobachtet wird.« 48
    Es hat verschiedene Antworten auf diese Frage gegeben, keine davon überzeugt völlig. Da ist zunächst Humphreys eigene Antwort, welche lautet, daß die menschliche Gesellschaft komplexer sei als eine Affengesellschaft, weil sie ein »Polytechnikum« benötigt, in dem die Jungen alle praktischen Fertigkeiten ihrer Spezies erlernen können. Für mich scheint diese Anschauung nichts anderes zu sein als eine reine Rückkehr zur Werkzeugmacher-Hypothese. Die zweite Antwort lautet, daß der Schlüssel zum Erfolg des Menschen in der Bildung von Allianzen zwischen nicht verwandten Individuen zu suchen ist, weil durch die dabei ablaufenden komplexen Vorgänge der Wert des Intellekts um ein Vielfaches erhöht wird – woraus sich prompt die Frage ergibt: Und was ist mit den Delphinen? Es mehren sich die Hinweise, daß eine Delphingemeinschaft aus ständig wechselnden Bündnissen von Männchen und Weibchen besteht. Richard Connor beobachtete zum Beispiel folgendes: Zwei Männchen trafen auf eine kleine Gruppe anderer Männchen, die ein fruchtbares Weibchen aus dessen Stammgruppe entführt hatten. Statt die anderen nun zu bekämpfen, schwamm das Paar davon, suchte sich Verbündete, kam mit ihnen zurück und nahm der ersten Gruppe durch seine zahlenmäßige Überlegenheit das Weibchen wieder ab. 49 Sogar bei Schimpansen hängt der Aufstieg eines Männchens in die α-Position und sein Verbleiben in ebendieser Stellung von seinen Fähigkeiten ab, sich Verbündete zu verpflichten. 50 Somit erweist sich offenbar auch die Bündnistheorie als zu allgemein gültig, um die plötzliche Weiterentwicklung menschlicher Intelligenz erklären zu können. Hinzu kommt, daß sie, wie die meisten anderen dieser Theorien, zwar Argumente für die Entstehung von Sprache, taktischem Denken, sozialem Austausch und ähnlichem bieten kann, für viele Dinge aber, denen Menschen einen großen Teil ihrer mentalen Energien widmen – Musik und Humor, um nur zwei zu nennen – keine passende Erklärung bereithält.

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    Zumindest kann der Machiavellismus mit einem ebenbürtigen Widersacher für das menschliche Gehirn aufwarten – wie gescheit auch immer dieses werden mag. Kaum einen meiner Leser muß man daran erinnern, von welcher Unbarmherzigkeit ein menschliches Wesen sein kann, sobald es um seine ureigenen Interessen geht. Ein hinreichendes Maß an Klugheit gibt es ebensowenig wie eine hinreichende Fertigkeit im Schachspiel. Man gewinnt, oder man verliert. Wenn ein Sieg dafür sorgt, daß man sich mit einem besseren Gegner zu messen hat, wie dies im Evolutionsturnier Generation für Generation üblich ist, dann läßt der Druck, immer besser werden zu müssen, niemals nach. Die Art und Weise, in der das menschliche Gehirn mit ständig zunehmender Geschwindigkeit immer leistungsfähiger geworden ist, läßt darauf schließen, daß hier so etwas wie ein Wettrüsten innerhalb der Art stattgefunden haben muß.
    Genau das ist der Inhalt von Geoffrey Millers Ausführungen. Nachdem er die Unzulänglichkeit aller konventionellen Thesen zur Entwicklung von Intelligenz demonstriert hat, nimmt seine Argumentation eine überraschende Wendung: »Ich vermute, daß der Neocortex nicht ausschließlich oder in erster Linie im Dienste der Herstellung von Werkzeugen, der Entwicklung des aufrechten Gangs, der Verwendung von Feuer, des Kriegführens, Jagens, Sammelns oder der Vermeidung von Kontakten mit den Räubern der Savanne steht. Keine der postulierten Funktionen kann erklären, weshalb er sich bei uns so explosiv entwickelt hat, während dies bei unseren nahen Verwandten nicht geschehen ist … Der Neocortex ist mehr oder weniger ein Organ der Werbung, dazu angelegt, Sexualpartner anzuziehen und zu halten; seine spezielle evolutionsbiologische Funktion ist es, andere Menschen zu stimulieren und zu unterhalten und die Stimulationsbemühungen anderer zu bewerten.« 51 Die einzige Möglichkeit, die plötzlich und aus heiterem Himmel einen hinreichenden Evolutionsdruck innerhalb einer Art schaffen könnte, der ein Organ weit über seine normale Größe hinaus

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