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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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anwachsen lassen kann, ist die sexuelle Selektion. »So wie die Pfauenhenne mit nichts anderem zufriedenzustellen ist, als mit einem brillanten Feuerwerk der Farben, so waren meiner Ansicht nach Männer und Frauen irgendwann nur noch mit geistreichen, brillanten, faszinierenden und unterhaltsamen Gefährten zufrieden.« Millers Anspielung auf den Pfau hat seinen Grund. Überall dort, wo wir im Tierreich auf übertriebene und übermäßig vergrößerte Ornamente gestoßen sind, konnten wir sie durch den Selbstläufer- oder sexy-son- Effektder intensiven sexuellen Selektion nach Fisher erklären (oder durch den Effekt der »guten Gene«, der, wie in Kapitel fünf beschrieben, die gleiche Wirkung hat). Die sexuelle Selektion unterscheidet sich, wie wir gesehen haben, in ihren Auswirkungen deutlich von der natürlichen Selektion, denn sie löst keine Überlebensprobleme, sondern sie verstärkt sie. Die Weibchenwahl läßt die Schwanzfedern eines Pfaus immer länger werden, bis sie schließlich eine Last für ihn darstellen – und selbst dann hört die Forderung nicht auf.
    Miller verwandte die falschen Worte: Pfauenhennen sind nie zufrieden.
    Damit hat man nun also eine Kraft gefunden, die bei Ornamenten zu exponentiellem Wachstum führt, und es erscheint reichlich unlogisch, wollte man sie bei der exponentiellen Ausdehnung des Gehirns nicht in Betracht ziehen.
    Miller führt einige Indizien für seinen Standpunkt an. Bei allen Umfragen rangieren Intelligenz, Sinn für Humor, Kreativität und eine interessante Persönlichkeit unter den wünschenswerten Eigenschaften des jeweils anderen Geschlechts noch vor den Aspekten Schönheit und Reichtum. 52 Da diese Eigenschaften überhaupt keine Rückschlüsse auf Jugend, Status, Fruchtbarkeit oder elterliche Fähigkeiten zulassen, werden sie von den Evolutionsforschern häufig ignoriert, aber sie stehen ganz oben auf der Liste. So wie die Federn des Pfauenschwanzes keinen Rückschluß auf seine Fähigkeiten als Vater zulassen und das Modediktat dennoch jeden straft, der sich weigert, es zu respektieren, so wagen Millers Ansicht nach auch Männer und Frauen nicht, von der Tretmühle abzuspringen, die sie dazu zwingt, sich mit dem jeweils geistreichsten, kreativsten und sprachgewandtesten Partner im Umkreis zusammenzutun. (Man beachte, daß hier nicht über das gesprochen wird, was sich in Prüfungen konventionellerweise als »Intelligenz« messen läßt.) Die Art, wie die sexuelle Selektion sich in launenhafter Weise vorgegebener Wahrnehmungsprädispositionen bemächtigt, paßt im übrigen genau zu der Tatsache, daß Affen von Natur aus »neugierig, verspielt, rasch zu langweilen und dankbar für jede Stimulation sind«. Miller zufolge müssen Frauen in ihrem Verhalten so vielfältig und kreativ wie nur irgend möglich sein, damit sie einen Mann hinreichend lange halten können und er ihnen bei der Kinderbetreuung tatsächlich von Nutzen ist. Er bezeichnet dies als den Scheherazade-Effekt, in Anlehnung an jene arabische Geschichtenerzählerin, die den Sultan mit tausendundeiner Geschichte bezauberte, damit er sie nicht einer anderen Kurtisane wegen verließ (oder umbrachte). Dasselbe gilt für Männer, die Frauen für sich einnehmen wollen; in diesem Falle wählte Miller in Anspielung auf den griechischen Gott des Tanzes, der Musik, des Rausches und der Verführung die Bezeichnung Dionysos-Effekt. Er hätte ihn auch Mick-Jagger-Effekt nennen können, gestand er mir doch eines Tages, daß es ihm unverständlich sei, was »mittelalterliche« Rockstars so attraktiv für Frauen mache. Don Symons weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß Stammeshäuptlinge stets begnadete Redner und extreme Polygamisten sind. 53
    Miller ist der Ansicht, daß mit zunehmender Größe des Gehirns auch die langfristige Partnerbindung immer wichtiger wurde. Ein Menschenbaby kommt unreif und hilflos zur Welt. Sollte es bei seiner Geburt so weit entwickelt sein wie ein Menschenaffenjunges, so müßte es einundzwanzig Monate im Mutterleib bleiben. 54 Das menschliche Becken ist jedoch zu schmal für die Geburt eines Kindes mit der entsprechenden Schädelgröße, so daß ein Baby mit neun Monaten geboren wird, ein Jahr lang als hilfloser, externer Fetus behandelt werden muß und erst dann mit dem Laufen beginnt, wenn sein »eigentlicher« Geburtstermin heranrückt. Diese Hilflosigkeit wiederum erhöht den Druck auf Frauen, die nunmehr um so stärker darum bemüht sein müssen, einen Mann an sich zu binden,

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