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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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die Frage umgehen: Weshalb ist mit den Pavianen nicht dasselbe geschehen?
    Millers Selektionshypothese leidet allerdings unter einem beinahe tödlichen Mangel. Erinnern wir uns, sie setzt sexuelle Präferenzen bei dem einen oder anderen Geschlecht voraus. Wodurch aber entstehen solche Präferenzen? Vielleicht war die Ursache hierfür die Beteiligung der Väter an der Aufzucht von Kindern. Frauen hatten damit einen Grund, die mögliche Vaterschaft einem einzigen Mann zuzugestehen, und Männer hatten einen Grund, eine zumindest so langfristige Beziehung einzugehen, daß sie sich einer Vaterschaft sicher sein konnten. Warum aber beteiligten sich die Männer an der Kinderbetreuung? Weil sie damit ihr Ziel, Kinder zu haben, leichter verwirklichen konnten, als wenn sie immer neue Partner gesucht hätten. Der Grund dafür ist nun wiederum darin zu sehen, daß Kinder – was für Affenjunge ungewöhnlich ist – sehr lange bis zur Reife benötigen und daß Männer ihren Frauen bei der Aufzucht der Kinder helfen konnten, indem sie Fleisch herbeischafften.
    Warum aber braucht ein Kind so lange, bis es heranreift? Weil sein Kopf so groß ist! Das Argument dreht sich im Kreis.
    Vielleicht ist das aber gar nicht tödlich für Millers Hypothese. Einige der besten Beweisführungen drehen sich im Kreis, beispielsweise Fishers Selbstläufer-Hypothese. Die Beziehung zwischen Huhn und Ei ist ein Zirkelschluß. Im Grunde genommen ist Miller sogar stolz darauf, daß dies bei seiner Theorie auch der Fall ist, denn seiner Ansicht nach ist die gesamte Evolution ein Prozeß, der sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf zieht. Es gibt keine Einzelursache, die zu einer einzelnen Wirkung führt, sondern jede Wirkung ist wiederum eine Ursache. Wenn ein Vogel zufällig eine besondere Fähigkeit zum Knacken bestimmter Samen entwickelt hat, dann wird er sich auf diese Fähigkeit spezialisieren, wodurch nun wiederum ein weiterer Druck für ihn entsteht, ebendiese Fähigkeit weiterzuentwickem. Evolution dreht sich im Kreis.

Patt
    Es ist ein beunruhigender Gedanke, daß unsere Köpfe eine neurale Version der Pfauenfeder enthalten sollen – ein repräsentatives Balzornament, dessen Virtuosität in allen möglichen Dingen, angefangen von der Differentialrechnung bis hin zur Bildhauerei, vielleicht nur eine Nebenwirkung seiner Fähigkeit zur Betörung des anderen Geschlechts ist – beunruhigend das Ganze und nicht hundertprozentig überzeugend. Die Hypothese von der sexuellen Selektion des menschlichen Intellekts ist sicher der spekulativste und am wenigsten gesicherte von allen evolutionstheoretischen Ansätzen, die wir in diesem Buch diskutiert haben, aber er liegt ungefähr auf derselben Linie. Begonnen hatte dieses Buch mit der Frage, weshalb alle Menschen so ähnlich und doch so verschieden sind, und der Antwort, daß dies möglicherweise seine Ursache in der einzigartigen Alchimie der Sexualität habe. Ein Individuum ist einzigartig aufgrund der genetischen Variabilität, die von der sexuellen Form der Reproduktion in einem immerwährenden Kampf gegen die Manifestation von Krankheiten erzeugt wird. Ein Individuum ist Mitglied einer homogenen Spezies, weil diese Vielfalt seiner Gene im gemeinsamen Genpool mit den Genen aller anderen unermüdlich vermischt wird. Und ich schließe meine Ausführungen mit einer höchst merkwürdigen Konsequenz aus dem Vorhandensein von Sexualität, der Tatsache, daß der menschliche Verstand aus keinem anderen Grund zu einer solch irrwitzigen Expansion getrieben wurde als dem, daß Menschen bei der Auswahl ihrer Partner sehr wählerisch sind und Witz, Virtuosität, Phantasie und Individualität bei anderen Menschen bevorzugen. Diese Perspektive des menschlichen Daseins ist ein bißchen weniger erbaulich als eine religiöse Sichtweise, aber sie ist auch recht befreiend. Sei anders!

EPILOG
DER DURCH SICH SELBST DOMESTIZIERTE AFFE
    Erkenn Dich selbst, erforsch nicht Gottes Kraft! Der Mensch ist erstes Ziel der Wissenschaft. Er steht am Isthmus, ist ein Mittelding – an Größe grob, an Weisheit Däumeling. Für einen Skeptiker ist er zu klug, für einen Stoiker nicht stolz genug.
Er hängt dazwischen, ist des Zweifels voll, ob er nun handeln oder nichts tun soll, ob er mehr Geist, mehr Leib, mehr Tier, mehr Gott.
Im Denken irrt er, lebt nur für den Tod; bleibt ohne Wissen, bringt er auch ins Spiel Vernunft zu wenig oder gar zu viel.
    Alexander Pope,
Vom Menschen
     
    Die Erforschung der menschlichen Natur befindet

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