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Eros

Eros

Titel: Eros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Ich saß da und machte an mir
rum, statt hinzugehn und sie zu erobern, oder ihr meine Liebe wenigstens zu
gestehen wie ein Mann – und mannhaft zu scheitern an ihrem Gekicher. Sie
schwitzte nie. Ihre Haut wirkte immer kühl und glatt, ihr Atem ging langsam,
und ihre Augen waren die traurigsten der Welt, ohne daß ich je eine Träne auf
ihren Wangen gesehen hätte.
    Sie roch nach gerußtem Holz und Kerzentalg, was dumpfer klingt, als
es gerochen hat. Ihre jungmädchenhafte Eitelkeit, dagegen die Armut, die nicht
arm aussah, nur wunderbar schlicht – ein berückender Gegensatz, dessen Erotik
unmittelbar auf mich wirkte. Sie verzauberte mich mit einfachen Mitteln.
    Manchmal, wenn ich nahe bei ihr schlief, stahl ich aus ihrem
gelösten Haar eine Strähne und spielte damit, so sanft, daß sie es nicht
bemerkte. Ich steckte die Strähne in den Mund und biß darauf herum, stellte mir
vor, es wären ihre Lippen. Ich räkelte mich auch auf dem Bett und schob meinen
Körper zusammen, so daß mein Kopf auf Höhe ihres Beckens lag. Dann wandte ich
meine Nase ihrem höchstens zwanzig Zentimeter entfernten Unterleib entgegen und
sog die Luft ein, wollte den Duft ihrer Scham erschnüffeln und bebte dabei vor
Angst. Unter feuerrotem Himmel, bei brennendem Deutschland. Ich so hoch oben
wie das Nest eines ausgestorbenen Vogels über den Wolken. Es kam vor, daß
jemand keine drei Meter von mir entfernt einen hysterischen Anfall bekam, weil
die Bomben ganz in der Nähe einschlugen, das nahm ich als Vorwand, um Sofies
Hand zu ergreifen. Und wissen Sie, was sie zu mir sagte? Angsthase .
    Sie nannte mich einen Angsthasen. Ich sagte, mein Name sei Alex,
darauf sie: »Das weiß ich.«
    Da war ich sehr glücklich für einen Moment, denn Sofie wußte meinen
Namen, allerdings wußte jeder im Keller meinen Namen, ich war der einzige Sohn
der ersten Familie am Ort. Und dann hörte ich, wie Sofies Mutter halblaut
sagte: »Ich glaub, unsre Sof ist langsam zu alt, um mit dem Sohn vom Herrn
Direktor in einem Bett zu sein.« Und ich hörte meine Mutter zu meinem Vater
sagen: »Was für Gedanken diese Menschen hier haben. Das ist kein Ort für unsre
Kinder. Gibt es keine Möglichkeit …« Aber in diesem Augenblick war eine
schwere Detonation zu hören, ich haschte erneut nach Sofies Hand, sie entzog
sie mir, sah mich verwundert an. Beim darauffolgenden Alarm plazierte man meine
Schwestern als Puffer zwischen uns, und die Papageien machten sich einen
grausamen Spaß daraus. Ich sah vom Stockbett aus meinem Vater zu, wie er aus
dem Jackett Stift und Notizblock zog und etwas zeichnete, ich konnte nicht
genau sehen, was es war, etwas Eiförmiges. Er hatte eine Idee, vielleicht die
originellste seines Lebens. Davon später.
    Sofie besaß auch eine Schattenseite mit Namen Birgit –
ihre beste Freundin. Sie war nie in unserem Bunker, wohnte einige Straßenzüge
weiter südlich. Ich lernte Birgit Mitte Oktober kennen, an einem wunderschön
sonnigen Herbsttag, ich hatte mir eine Lanze geschnitzt und strich durch die
kleinen, vergoldeten Wälder im Norden Allachs, es war übrigens das erste Jahr,
in dem ich mich vom elterlichen Grundstück mehr als hundert Meter entfernen
durfte. Birgit radelte den Kiesweg am Bach entlang, während ich mit meiner
Lanze imaginäre Forellen aufspießte, ein Spiel, das mir genau in diesem Moment
zum ersten Mal albern und infantil vorkam. Sie radelte da lang, in ihrer
braunen BDM-Uniform, und blieb stehen, ein nicht sehr gut aussehendes
dunkelblondes Mädchen mit stark ausgeprägtem Kinn und fleischigen Waden.
    »He, du!«
    »Was?«
    Sie fragte, ob ich Alex sei. Ich sagte ja, da fragte sie: »Der, der
in Sof verliebt ist?«
    Ich ging zu ihr hin, wurde leise, als könne jemand hören, was wir
reden.
    »Quatsch.« Ich sagte einfach nur: Quatsch.
    »Ach, dann.«
    »Was dann?«
    »Dann nix.« Sie sprachs und hob sich wieder aufs Rad. Ich rief ihr
laut hinterher:
    »Hee … Was wärn dann?«
    »Dann hätt ich dir was sagen sollen.«
    »Was denn?«
    »Wozu willstn das wissen, wenn du nicht der bist?«
    Gott, hab ich dieses Weibsbild gehaßt. »So halt. Mußt es ja nicht
sagen«, schlug ich vor, und sie, eiskalt: »Nee, muß ich nicht.«
    Ich werde wohl ein entsetztes Gesicht gemacht haben, mit Augen
größer als Fünfmarkstücke.
    Und Birgit, die schon drei, vier Meter gefahren war, lachte, als
habe sie Mitleid, und hielt nochmal an. »Was solls. Sofie ist um fünf in der
Kiesgrube. Wenn du sie treffen willst.«
    »In der Kiesgrube?

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