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Eros

Eros

Titel: Eros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Holzleiste geschraubt. Aus der Teeküche die knarzende Stimme
der Ausbilderin: »Sie haben sich verspätet.«
    »Entschuldigung.« Sie haucht es mehr, statt es zu sagen.
    »Gehts Ihnen nicht gut?«
    »Jaja. Danke.«
    Emil rennt auf sie zu, umarmt ihre Knie, Sofie muß sich an der Wand
abstützen. Sie mag es nicht laut denken, aber sie kann Emil nicht leiden, nein,
sie findet den kleinen Kerl beinahe widerlich. Dann weint sie.
    Dezember 51
    Später im Jahr, Anfang Dezember, als Dr. Fröhlich mich
mühsam auf die Beine gebracht hatte, und ich wieder leben wollte, Sofie
überleben wollte, gab es ein erstes großes Fest auf dem Schloß. Der gesamte
Firmenvorstand war geladen, mit Gattinnen, meine Rechercheure waren da, und es
war gar nicht so einfach gewesen, für jeden von ihnen eine neue Arbeitsstätte
im Betrieb zu finden, an der sie nicht völlig nutzlos waren. Sylvia wurde meine
Sekretärin. Ein weibliches Wesen um sich zu haben, das einen verehrt, nicht
übel aussieht und dabei noch ehrlich und fleißig ist, sowas stößt man nicht von
sich, gerade dann, wenn man beschlossen hat, einen, in Anführungszeichen, normalen Lebenswandel anzustreben. Äußerlicher Anlaß für das Fest war die endlich
komplettierte Renovierung des Eulennests. Der Saal, in dem wir sitzen, sah
prachtvoll aus, ganz anders als jetzt, wo ich alles Schmückende habe entfernen
lassen, ich kann Ihnen Fotos zeigen, wenn Sie das interessiert, aber Sie dürfen
es nicht zu exakt beschreiben, bitte denken Sie daran. Ach ja, und es gab noch
einen zweiten, inoffiziellen Anlaß, den Vorstand zusammenzurufen, das war meine
Übernahme der Geschäftsgewalt in den von Brücken-Werken. Bis dato hatte ich
mich passiv verhalten, hatte Keferloher machen lassen, nun, allein schon, um
mich von meinem Selbsthass abzulenken, wollte ich die Rolle meines Vater
übernehmen, mit allen Pflichten, die dazugehörten. Die meisten
Vorstandsmitglieder waren eingeweiht und mit Verabredungen dazu gebracht
worden, diese Entwicklung gutzuheißen. Verabredungen, besser gesagt,
Zuwendungen, die eigentlich nicht nötig gewesen wären, die mich aber besser
schlafen ließen. Ich hielt eine euphorische Zukunfts- und Aufbaurede, von Dr. Fichtner vorbereitet, gespickt mit klugen Sprüchen, um meine Kompetenz zu
beweisen. Mein Credo lautete Investition . Geld auf der Bank sei müdes Geld, Geld müsse
zirkulieren, um neues Geld anzuziehen. Es war rein zufällig das richtige Credo
für die fünfziger Jahre. Keferloher schien nicht wirklich überrascht, er hatte
natürlich seine Informanten, und er fügte sich ins Unvermeidliche, wohl, weil
er schlicht zu feige gewesen war, gegen mich äußerste Mittel anzuwenden.
    »Gratuliere, Alexander! Im Namen des gesamten Vorstands meinen
herzlichsten Glückwunsch!«
    Er übergab mir ein Geschenk, irgendeine antike Statue ohne Kopf, in
Papier verpackt. Eine Allegorie der Weisheit, wenn ich mich recht erinnere.
Eine Sapientia ohne Kopf. Bestimmt eine Anspielung, naja. Ich bedankte mich und
überreichte Keferloher einen Brief.
    »Ich hab auch was für Sie.« Und wandte mich um. »Lukian, kann ich
dich kurz sprechen?« Lukian folgte mir in mein damaliges Arbeitszimmer. Während
wir die Tür hinter uns schlossen, sah ich, daß Keferloher den Brief öffnete und
auf der Stelle, mit wachsendem Entsetzen, durchlas. Es schien geraten, die Tür
zu verriegeln.
    »Luki, gleich wird dein Vater Amok laufen. Verzeihst du mir das?
Offen und ehrlich: Ich muß das wissen.«
    Lukian meinte, das sei schon in Ordnung, der Vater habe seine Zeit
gehabt und jede Menge Spaß, um ihn müsse man sich keine Sorgen machen.
    »Das stimmt. Und ich habe Pläne für dich.«
    »Die wären?«
    »Wir erweitern die Firma. Wir werden eine neue Außenstelle
errichten. Wuppertal.«
    »Was wollen wir bitte in Wuppertal?«
    »Expandieren.«
    »In Wuppertal? «
    »Sofie soll glücklich sein.«
    »Wie bitte?«
    Es wurde heftig am Türknauf gerüttelt. Dann an die Tür geklopft.
Erst mit Handflächen, dann mit Fäusten. Keferlohers Stimme war zu hören, in
voller Lautstärke, anscheinend kümmerte ihn der Gesichtsverlust nicht annähernd
so sehr wie der Verlust seiner Macht.
    »Alexander!
Das können Sie nicht tun! Lassen Sie uns reden!«
    »Ich will aber nicht nach Wuppertal! Alex, was soll das?«
    »Du wirst sehr sehr wichtig sein für mich. In Wuppertal. Ich erklär
dir alles genau.«
    Der alte Keferloher schlug noch stärker auf die Tür ein, wir mußten
beide lachen.
    »Du bist verrückt«,

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