Eros
hatten, auf der Wiese hinter dem Schloß
verbrennen. Ich sah von der Bibliothek aus zu, wie einer der Diener die
brennende Fackel in den Haufen steckte. Beobachtete durch den Feldstecher, wie
Luki sich hinabbeugte und eines der Fotos einsteckte. Jenes der schlafenden
Sofie, das ich Ihnen gezeigt habe. Ein wunderschönes Bild. Heute bin ich ihm
dankbar darum.
Ich ließ Dr. Fröhlich kommen. Flehte ihn um Hilfe an. Um
ernsthafte Hilfe, nicht etwa um Morphium oder so etwas. Im Gegenteil, ich
brauchte einen ersten Entzug. Boden unter den Füßen.
Dr. Fröhlich war großartig, weil er einem immer das Gefühl gab,
alles im Leben Denkbare sei normal und die passende Gegenmaßnahme eine Sache
von wenigen Handgriffen. Er riet mir dazu, ein Bad zu nehmen, mich zu rasieren
und mir etwas Sauberes, frisch Gestärktes anzuziehen. Das sei sozusagen schon
die halbe Miete. Danach gab er mir ein Schlafmittel, kein erlaubtes, etwas
Kraftvolles, mit dem man kalbende Kühe ruhigstellt.
»Da unten brennt mein Leben!«, murmelte ich.
»Lassen Sies brennen. Nehmen Sie sich ’n neues.«
Und ich schlief drei Tage und Nächte.
Nebenkrieg
Lukian leidet, behauptet sein Psychiater, an
Gewissensbissen, aufgrund der Art und Weise, in der er seinen Vater einst zum
Abschuß freigegeben hat. Lukian findet das plausibel, obwohl es ihm selbst nie
in den Sinn gekommen wäre. Während Alexander schläft, besucht Lukian seine
Eltern. Sie wohnen am Tegernsee, in einem neurenovierten Bauernhaus mit
riesigem Garten und Zugang zum Wasser, könnten die Jahre, die ihnen noch
gegeben sind, aus vollem Hals genießen. Die Idioten begreifen es nicht.
»Du warst solange weg. Er hat dir nie verziehen. Wenn du wenigstens
mal geschrieben hättest.«
»Hab ich doch!«
»Immer nur an mich. Er will dich nicht sehen.« Mutter Keferloher schenkt
Kaffee ein. Prompt dröhnt Vater Keferlohers Stimme durchs Haus.
»Selbstverständlich will ich ihn sehen!«
Keferloher, stark gealtert, steht in der Wohnzimmertür.
»Sohn?«
»Paps?«
»Und? Was gibts?« Keferloher schlurft in höhlenartigen
Filzpantoffeln auf den Sohn zu, biegt dann ab, reibt sich den Bauch und läßt
sich aufs Kanapee fallen.
»Wie gehts dir, Papa?«
»Ist doch völlig egal. Wie geht es ihm?«
»Wem?«
»Deinem Herrn und Meister. Ist er verrückt?«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Er ist verrückt. Ich weiß es.«
»Ist das so?« Lukian möchte lieber nicht näher darauf eingehen.
»Wir wissen, wo die Musik spielt. Wir wissen, woher der Wind weht.
Ist er soweit?«
»Soweit wofür?«
»Du glaubst, ich weiß es nicht? Wie er rumläuft? Ich weiß alles.
Alles!«
»Paps …«
»Wir können ihn für unzurechnungsfähig erklären. Du bist jetzt
stellvertretender Direktor. Wir übernehmen den Laden. Ich und du, mein Sohn.
Deshalb bist du doch hier?«
Lukian schweigt, ißt Nußkuchen. Vater Keferloher kichert in sich
hinein.
»Wunderst du dich, was ich alles weiß? Damit hast du nicht
gerechnet, nicht? Wir beobachten euch, schon lange. Ich wußte, eines Tages
wirst du kommen.«
»Ich muß leider auch schon gehen.« Lukian weiß plötzlich alles
wieder ganz genau. Warum er mit seinem Vater gebrochen hat, warum es so
dringend nötig gewesen war.
»Sag diesem Schweinehund, wir haben ein Auge auf ihn. Viele Augen!«
Lukian antwortet nicht, gibt seiner Mutter einen Kuß auf die Wange
und verläßt das Haus, ringt nach Atem. Es ist für ihn ein Schlüsselerlebnis.
Daß Menschen, die um sich alles, wirklich alles für einen erfüllten Lebensabend
besitzen, außer jener lächerlich vergänglichen Macht, die sie einst besaßen,
daß solche Menschen nie mehr zurück in den Zustand der schlichten Gnade, des
dankbaren Genusses finden können – Lukian nimmt sich vor, nie selbst so zu
enden. Auf einmal begreift er, welchen Vorteil es haben kann, im Schatten eines
anderen zu leben, ohne die leidige Verpflichtung, unbedingt vor der Welt etwas
darstellen zu müssen. Der an sich fehlgeschlagene Besuch bei den Eltern
versöhnt ihn zwar nicht mit dem Vater, aber ein Stück weit mit sich selbst.
Chemie und Kapriolen
Als ich aus meinem Tiefschlaf erwachte, waren Lukian und
Dr. Fröhlich bei mir. Meine Freunde . Lukian hatte seinen Psychiater in den Wind
geschossen, hatte sich für mich entschieden, was ihm nicht leicht gefallen war,
und ich dankte ihm mit einer Mittelmeerkreuzfahrt, die dazu nötige Yacht samt
Mannschaft inbegriffen. Von Dr. Fröhlich erbat ich mir Ratschläge jenseits des
rein
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