Eros
nicht leben können, und guter Rotwein sei besser, als
alles, was mir sonst blühen würde. Außerdem wurde das Schwimmbad umgebaut in
ein Wellenbad, eines der ersten in Deutschland. Schwimmen war mein Sport, und
wenn es heiß genug war, gingen Sylvia und ich zum Fluß und badeten dort, in den
Stromschnellen, es war ein bißchen gefährlich, aber erregend. Und im Prunksaal
ließ ich alle Ölschinken und schmockigen Wandteppiche entfernen, die man mir
einst als stilvoll eingeredet hatte. Stattdessen wurden dort allabendlich auf
einer Großleinwand Filme gezeigt, der Saal wurde zu einer Art Kino umgebaut.
Gerne sah ich La
Dolce Vita, oder Alexis Sorbas, Filme, die mich als Zuschauer teilhaben
ließen an ihrer Kraft. Im Winter bauten wir Schneemänner, kauften Langlaufski,
und vor dem Feuer im großen Kachelofen, in das ich stundenlang starren konnte,
stundenlang, küßte ich Sylvias Bauch, aus Dankbarkeit, weil sie wirklich gut zu
mir war. Sie zog sich ganz aus, stellen Sie sich vor, und konnte einen Orgasmus
bekommen, nur wenn man ihre Brüste streichelte. Das macht einen Mann doch
eitel. Aber ich will Ihnen nicht zuviel erzählen, möchte nur andeuten, daß das,
was zwischen uns lief, eigenartig war und nicht sehr sexuell geprägt. Es bedarf
keiner Einzelheiten. Man könnte das boshaft schildern und Sylvia zu einer Art
Gebrauchspuppe herabwürdigen, dem war aber nicht so. Die Geschäfte überließ ich
manchmal für ganze Monate Lukian, unsere Gewinnspannen blieben fast
unvermindert hoch. Wo wir nicht arbeiteten, arbeitete das Geld für uns, und
wenn sich Gedanken an Sofie in mein Gehirn stahlen, trank ich den medizinisch
verordneten Rotwein. Ich will nicht lügen, ich wußte immer, wo Sofie war und
was sie gerade so machte, aber nicht in Einzelheiten, mehr wie man eine Zeitung
überfliegt, die der Konkurrenz gehört, um auf der Höhe zu bleiben. Es sah gut
aus für mich, es gab Hoffnung. Ein wenig. Und dann erschien, die Jahre waren
dahingeflogen, Revolver, das beste Beatles-Album, das mich völlig euphorisierte. In jenem Jahr, 1966,
starb Dr. Fröhlich, nach einem Schlaganfall, es ging mir äußerst nahe und ich
übertreibe nicht, wenn ich sage: es bedeutete einen Riß in meinem Leben. Aber
noch war es nur seine Person, die fehlte, nicht seine Persönlichkeit, sein Rat,
seine Klugheit.
Wir, Sylvia und ich, ich empfand uns damals als Paar,
liehen uns Lukians Yacht und fuhren incognito einmal um Sizilien herum, machten
einen Abstecher nach Malta. Zurück in Deutschland zeigten wir uns gelegentlich
in der Öffentlichkeit, sahen uns in München Opern an oder Pferderennen in
Baden-Baden. Als die Beatles im Juni 1966 im Circus Krone spielten, war ich
unter den Zuschauern, getarnt mit dicker Sonnenbrille. Ich habe im Hotel
Bayerischer Hof, wo sie logierten, die Nachbarsuite bewohnt und mir von allen
vieren Autogramme geholt. Weil ich wenig Englisch sprach, wurde eigens ein
Dolmetscher angestellt. John Lennon wechselte zwei Sätze mit mir, als ich ihn
nachts dabei erwischte, wie er ein Ölgemälde auf dem Hotelflur mit zusätzlichen
Figuren bemalte, so gekonnt übrigens, daß niemand den Unterschied
vorher/nachher bemerkte.
Es waren höchst belanglose Sätze, à la – Was tun Sie denn da? Malen? Ah, schön. So ungefähr. Aber ich spürte eine große Euphorie dabei, mit jemandem zu reden,
den ich verehrte. Etwas ganz Neues für mich. Und Sylvia? Sie konnte mit den
Beatles nichts anfangen, konnte dieser Musik nichts abgewinnen, nichts. Machte
nicht mal den Versuch, mir das Gegenteil vorzutäuschen. Sie werden lachen oder
weinen oder mich für ein verzogenes Kind halten – aber vermutlich aus diesem
Grund knackte das Konstrukt, bekam Sprünge und krachte schlußendlich zusammen.
Sylvia war unfähig, meine einzige musikalische Euphorie zu teilen, und ich
reagierte beleidigt. Natürlich brach sich da kein verzogenes Kind Bahn, sondern
die Lüge, die unsre Beziehung enthielt. Dennoch: Sie können mich in diesem
Kapitel durchaus als Widerling darstellen, ich hab es nicht anders verdient.
Als gäbe es Beziehungen ohne irgendwelche Lügen. Als wären gute Beziehungen ohne
Lügen überhaupt möglich .
Ich hatte uns Ringe gekauft, aus Silber nur – schlichte, doch schöne Ringe, um
unserer Verbindung ein Dekor zu geben. Als im Schloßkino Goldfinger lief, ich
glaube aber nicht, daß der Titel des Films damit was zu tun gehabt hat, haschte
ich, aus einer Überdrußlaune heraus, nach Sylvias Hand, zog ihr den Ring vom
Finger, zog
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