Eros
eher: absolut edel. Kurze Zeit später kam ich mir immer noch edel
vor, aber gut fühlte ich mich nicht, oh nein. Mir wurde bewußt, daß alles nun
von vorn anfangen würde. Lukian war mächtig, nicht so mächtig wie ich, dennoch – er konnte diese Macht verwenden und würde sie verwenden. Andererseits: Wo
beginnt Macht? Vielleicht, dachte ich, würde es Lukian gelingen, ein halbwegs
normales Leben mit ihr zu führen, sofern sie sich überhaupt auf ihn einlassen
würde. Ehrlich gesagt, glaubte ich daran nicht so recht und dachte, das würde
sich schon bald von selbst wieder erledigen.
Was ich natürlich übersehen habe: In Sofies desolatem Zustand war
jeder Mann, der sich ihr gegenüber gütig, halbwegs anständig, hilfsbereit und
einfühlsam zeigte, ein Geschenk des Himmels, das man nicht so einfach
zurückweist. So kam es zu Sofies und Lukians kurzem Glück. Sie hatte ein
Alkoholproblem, hielt es aber in Grenzen, ihm zuliebe. Lukian ließ sich Kopien
von Manuskripten kommen, die Verlage als hoffnungslos abgelehnt hatten,
kritzelte darin herum, um eine Existenz als Lektor vorzutäuschen, er ließ sogar
Bücher erfundener kleiner Verlage drucken, in denen vorne Lektorat: Lukian Keferloher zu lesen war. Er hatte es nicht mal nötig, seinen Namen zu ändern, ach, wie ich
ihn beneidete. Sofie zeigte sich erkenntlich, indem sie, wenn auch vom Kopf her
widerwillig, Hausarbeit erledigte. Als eines Morgens Lukians Putzfrau
auftauchte, konnte er die Sache hinbiegen, er stellte sich recht geschickt an.
Und wenn Sie meinen, ich hätte die beiden observieren lassen, täuschen Sie sich – nichts dergleichen, ich hielt mich raus. Die beiden schliefen in einem Bett,
hatten aber keinen Sex, oder nur ganz kleinen, kuschligen. Das war das, was
Lukian mir berichtete. Ja, gut, darauf hatte ich bestanden, er sollte mir ab und zu die
Lage schildern, sollte bestätigen, daß es Sofie gut ging. Wenn die beiden ein
richtiges Paar geworden seien, dann – versprach ich mich komplett
zurückzuziehen.
Von Brücken flüsterte die meiste Zeit und vermied es, mich
anzusehen. Die Episode ging ihm sichtlich nahe und es fiel ihm schwer, darüber
zu reden. Er bat um Verzeihung, dann rutschte er von seinem Sessel und setzte
sich auf den Boden. Mir blieb nichts übrig, als ebenfalls von meinem Schemel zu
rutschen, und so setzten wir die Unterhaltung fort, auf dem Boden hockend. Ich
machte kein Thema daraus, bis dahin hatte er wenig Schrullen gezeigt.
Vielleicht hatte sein Stellungswechsel auch den schlichten Grund, daß er so, im
Schneidersitz, seine Schmerzen besser ertragen konnte.
Sie haben es sicher bemerkt: Lukian ist kein sehr hübscher
Mann, er war es damals noch weniger. Humor war ihm auch nie viel gegeben, aber
irgendwie machte er den Eindruck von Ehrlichkeit und Beständigkeit. Tugenden,
die auf Sofie stark gewirkt haben müssen. Gut zu kochen verstand er auch,
konnte galant sein und zuhören. Gebildet war er sowieso und las Sofie gerne
Dostojewski vor, spielte gar nicht schlecht Klavier. Er legte sich wirklich ins
Zeug, und Sofies Zuneigung muß für ihn wohl ein gewisser Triumph über mich
gewesen sein, ganz klar.
Manchmal
kommt es einem vor, als könne man alles, was war, an der Garderobe abgeben. Von
sich werfen und neu anfangen. Eine Tür hat sich geöffnet, und wenn man da
durchgeht, ist alles anders.
Lukian schrieb sich diese Sätze Sofies auf, las sie mir am Telefon
vor und rührte mich damit zu Tränen. Sie hatte soviel Vertrauen zu ihm gefaßt,
daß er einige ihrer Gedichte lesen durfte, es war leider belangloses Zeug,
jedoch schien er bisweilen entschlossen, per Strohmann einen Verlag zu gründen,
in dem dieses Zeug erscheinen konnte, es war auch nicht viel schlimmer als anderer
Mist. Trotz aller Stiche, die mich quälten, hatte ich doch Freude daran,
mitzubekommen, wie er immer konsequenter dazu überging, die Realität zum
Bühnenbild zu verformen, ja, ich war sogar stolz auf ihn und erleichtert bei
der Feststellung, daß er nicht viel anders zu sein schien als ich. Sein Treiben
relativierte meines. Und tat er etwas Schlimmes? Anfänglich war ich besorgt,
daß er Sofie nicht ernstlich lieben würde, daß er in Wahrheit nur mich
übertrumpfen oder demütigen wollte, daß er es sich in meiner Rolle gutgehen
ließ – der Schatten, der seinen Herrn ausbootet und endlich für sich zu leben
beginnt. Er sagte die ominösen drei Worte.
Lukian: Ich liebe dich.
Sofie: Ja?
Lukian: Ich hab dich schon damals geliebt. Aber erst
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