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Eros

Eros

Titel: Eros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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warst du mit
diesem Rolf zusammen, dann warst du weg.
    Sofie: Du hastn tolles Namensgedächtnis. Rolf . Den gabs wirklich?
Das scheint Millionen Lichtjahre entfernt.
    Lukian: Ich hab ihn nicht gekannt. Aber gehaßt.
    Sofie: Ach, er war ganz okay. Im Nachhinein. Meine Mutter war so
schrecklich praktisch. Wenn irgendwas nicht ganz schlecht war, hielt
sie daran fest. Mit aller Kraft. Und sie hat immer zu mir gesagt: Irgendwann,
Kind, begreifst du – ich weiß nicht mehr, wie sie sich genau ausgedrückt hat –
ich habs ja auch nie begriffen … Jedenfalls … Wenn du mich damals schon
geliebt hättest, hättest dus mir gesagt. Man kann niemanden lieben, ohne es ihm
zu sagen.
    Lukian: Das finde ich zu pauschal. Es gibt …
    Sofie: Küß mich. Es ist son Geruch an dir, ein Gefühl, irgendwas
Leuchtendes, das hab ich sonst nur im Traum, wenn ich von meinem Schutzengel
träume.
    Später sagte er, er habe nicht mit ihr geschlafen, habe
keinen hochbekommen, aus Angst vor mir . Naja, das war bestimmt Gesülze, das sagte er
vermutlich, um mich zu beschwichtigen und mir zugleich Vorwürfe zu machen. Was
solls? Damals gab es diese ersten Kommunen freier Liebe, über die die
Bildzeitung pseudoempört und dankbar berichtete, weil sie ihre Leserschaft so
mit immer neuen pornographischen Phantasien füttern konnte. Bei der Vorstellung,
Sofie könne in eine Kommune ziehen – oh ja, das hätte mir zugesetzt. Aber warum
sollte ich meinem Freund Lukian etwas mißgönnen, was Sofie zuvor mit einem Tier
wie Henry praktiziert hatte?
    Sofie war vermutlich nahe daran, Lukians Liebe zu erwidern. Es
schien nurmehr eine Sache der körpereigenen chemischen Prozesse. Und plötzlich
hatte dieses Idyll ein Ende. Wenn Sie Lukian heute auf Sofie ansprechen, wird
er wenig auskunftsfreudig sein, verständlich, da Sie ihn am einzigen Punkt
seines Lebens berühren, der Fleisch genug war, um Wunde zu werden. Abgesehen
natürlich vom Tod seiner Familie oder der Demenz seines Vaters, der als
Geisteskranker starb. Es geht mir übrigens wieder besser, wollen wir uns
hinsetzen wie zivilisierte Menschen?
    Er rappelte sich hoch, ließ sich ächzend in seinen Sessel
fallen, ich schob mir den Schemel unter den Hintern.
    »Sie haben sich nie über diesen Schemel beschwert.«
    »Ist ganz in Ordnung, der Schemel.«
    »Ich kann Ihnen einen bequemeren Stuhl bringen lassen. Müssen es nur
sagen. Mir war der Schemel wichtig. Solange Sie darauf sitzen blieben, war ich
mir sicher, Ihnen meine Geschichte bis zum Ende erzählen zu können.«
    »Aha.«
    »Jetzt bin ich mir Ihrer noch etwas sicherer geworden. Das ist
wichtig für mich, ich habe einfach keine Zeit für neue Anläufe. Wollen Sie
einen Stuhl haben?«
    »Nein, ich finde den Schemel sehr bequem, sonst hätte ich mich schon
beschwert.«
    Von Brücken lächelte, aber durchaus gutmütig. Seine Augen baten um
Verzeihung. Ich nickte. »Bitte fahren Sie fort.«
    »Luki rief mich aus der Telefonzelle an, eines Morgens im Dezember.
Er klang sehr erregt, wie jemand, der seinem Leben eine Wende zu geben
versucht.«
    Es kommt mir widerlich vor, darüber zu reden. Wir werden über sie auch
nicht weiter reden. Ich liebe diese Frau. Schmeiß mich raus, wenn du willst.
Laß sie los. Gönn sie mir!
    So. Was läßt sich da erwidern? Dem einzigen Freund, den
man besitzt.
    Wenn du mir hin und wieder sagst, daß es ihr gut geht. Wenn du mir
versprichst, daß du auf sie aufpaßt.
    Während Lukian mit mir sprach, vielmehr, während er mit
mir verhandelte, ging Sofie ins Bad. Öffnete einen Hängeschrank. Sah sich die Tablettenpalette
an. Viele Beruhigungs- und Aufputschmittel. Das paßte nicht zu dem Bild, das
sie von ihrem Luc gewonnen hatte. Gott weiß, was sie dazu trieb, aber sie durchsuchte in einem
Anfall von Neugier oder Paranoia das Schlafzimmer. Und hielt das Foto in der
Hand. Es war wirklich gut versteckt, man kann Lukian nicht den Vorwurf der
Fahrlässigkeit machen. Er betrat die Wohnung, da rannte Sofie an ihm vorbei,
hinaus, mit nichts als einem kleinen Koffer.
    Im Schlafzimmerschrank, unter dem sorgfältig zusammengelegten
Bettzeug, lag das Foto. Nein, da hatte es gelegen, jetzt – lag es als stumme Anklage
mitten auf dem Bett. Sie erinnern sich? Das Foto, das Lukian damals vor dem
Autodafé bewahrt und eingesteckt hatte. Es zeigte die schlafende Sofie in ihrer
Wuppertaler Wohnung. Was mag sich die Ärmste beim Anblick dieses Fotos nur
gedacht haben?
    Von Brücken massierte seinen Bauch und stöhnte, dann
klingelte

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