ErosÄrger
einem Seil. Einem sehr sehr dünnen Seil. Trotzdem gelang es ihr irgendwie, sich aus der Aufmerksamkeit des betrunkenen Gottes zu stehlen. Johannes tanzte einen Augenblick mit den Anhängerinnen Gabriels. Keine davon war an ihm interessiert und nicht eine gab wenigstens alibimäßig vor, es zu sein. Mit einem Seitenblick vergewisserte er sich, dass niemand auf ihn achtete. Sylphe und Golem waren ineinander vertieft und verständigten sich mit intensiven Handzeichen darauf, eine Etage tiefer zu gehen. Gabriel war ebenfalls vertieft. In einen Kuss mit einer seiner Verehrerinnen.
Langsam trat der Zauberer die Flucht an. Bei soviel Liebe an einem Ort fühlte er sich deplatziert.
Deplatziert und alt
, dachte er verbittert und folgte seiner neuen Chefin. Liebesvermitteln schön und gut, aber das hier ging über den guten Geschmack hinaus – um am exakten rosaroten Gegenpool zu landen.
Der exakte Gegenpool war auch Lilly. Sie hatte einen der wenigen ruhigen Orte gefunden und wirkte in sich gekehrt. Nein, allein.
Johannes stellte sich an die Reling und bemühte sich, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ohne zu stören. Es gelang nicht. Und er war sich sicher, dass sie nicht so gesehen werden wollte. So wie sie am Bug stand und in die Weite starrte … sehnsüchtig. Johannes schüttelte den Kopf und versuchte den Gedanken an seinen Bruder zu vertreiben.
»An was hast du gerade gedacht?«
Unbemerkt hatte sich Lilly zu ihm gesellt und sah ihn aufmerksam an. Aufmerksamer, als man nach so vielen Gin Tonics annehmen sollte.
»An meinen Bruder. Er schaut manchmal auch so verloren aus, wie du eben.« Johannes sah auf die Reflexionen des Wassers, konnte seine Worte aber nicht mehr zurücknehmen. Deswegen fügte er ein, »Das ist aber lange her«, hinzu.
»Jetzt ist er glücklich?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Johannes drehte sich zu seiner Chefin und sah sie nachdenklich an. Offensichtlich hatte sie wirklich keine Ahnung, wer er war.
»Er ist ein toller Kerl, wirklich.« Johannes lehnte sich an die Brüstung. »Gut aussehend, charmant, intelligent, erfolgreich. Nie um eine Antwort oder eine Idee verlegen.«
»Woran scheitert es dann?«
»Lieblosigkeit.«
»Lieblosigkeit ist ganz zufällig meine Spezialität.«
»Er will nicht. Er glaubt, er braucht keine Hilfe, um Liebe zu finden.«
»Und was glaubst du?«
Johannes sah sie direkt an. Bevor er in sein Bierglas schaute, als läge der Sinn des Lebens und die Antwort auf alle Fragen direkt am Grund des Glases verborgen. »Es gibt niemanden, der mehr Hilfe bräuchte.«
Ich nickte und verkniff mir die Frage, die mir unter den Nägeln brannte.
Was ist denn falsch mit deinem Bruder?
, fragte man nicht. Nicht einmal einen Freund. Vielleicht gab es wirklich Wesen, denen man liebestechnisch nicht helfen konnte. Der Gedanke tröstete mich ein wenig. Dann war ich wenigstens nicht allein auf der Welt. Gleich darauf scholt ich mich für meinen Gedanken. Er war gemein und egoistisch.
Wie von selbst glitt mein Blick zu der Rusalka und dem Nix.
»Warum siehst du sie so an?«
Ich sah Johannes an. »Wie ist denn »so«?«
»Hoffnungslos.«
Sogar ich konnte spüren, wie mein Blick einen Moment lang entsetzt wurde, dann gelang mir ein Lächeln. Es war genauso traurig, wie ich mich fühlte. »Ich habe nur an deinen Bruder gedacht. Es tut mir leid. Die Liebe ist manchmal ein Arschloch.«
Johannes wirkte nicht ganz überzeugt, gab sich aber mit der Antwort zufrieden. Musste er auch, denn zwei schlanke Männer kamen die Treppe hinter uns nach unten. Zumindest nahm ich an, dass es Männer waren, ihren Haare waren frauenlang (Okay, dass war politisch unkorrekt, traf es aber ziemlich exakt.). Der Statue nach schloss ich auf zwei Sidhe – Seelie und Unseelie. Keine gute Kombination. Erst Recht nicht in Zusammenhang mit Frauen und Alkohol.
Wie auf Kommando drehte sich der Blonde um. Der Sidhe von gestern Abend. Mein Sidhe. Unseelie. Natürlich.
Er lächelte über beide Ohren. Es teilte sein Gesicht in zwei Hälften. Oben und unten. Mit einem Haufen Zähne dazwischen. Ein sehr gruseliger Effekt. Wer also an einen netten Legolas glaubt, wenn er Elben sehen möchte … dem konnte dieser Anblick Alpträume bis an sein Lebensende bescheren. (Als kleiner Trost: Meist ist das Lebensende dann keinen Schlaf weit entfernt.)
»Shit!«
Noch während ich überlegte, wohin ich am besten fliehen sollte, war der Unseelie (das sind die Bösen Sidhe) bereits zu mir getreten. Immerhin war Johannes
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