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Stunde später war Zula an ein Waschbecken auf der Damentoilette im sicheren Haus angekettet.
Nachdem Csongor Sokolow zu sich gebeten und ihm auf seinem Bildschirm eine IP -Adresse gezeigt hatte, die genau mit der auf seiner Handfläche übereinstimmte, und Sokolow begriffen hatte, dass die jungen Männer in der Ecke mit dem Troll im Bunde waren – dass einer von ihnen womöglich sogar der Troll war –, da hatte der Russe mit einer Kombination aus äußerster Eile und vollkommener Ruhe gehandelt, die Zula unter anderen Umständen bewundert hätte. Er führte ein Telefonat. Ein paar Minuten später hatte er Zula auf die Straße hinauseskortiert, wo gerade ein Taxi mit vier Sicherheitsberatern vorgefahren war. Einer davon war im Taxi sitzen geblieben, während die anderen sich auf eine Weise um Zula herumgestellt hatten, die nicht unbedingt eine unverhohlene Drohung darstellte, aber deutlich machte, dass ihr nichts anderes übrigblieb, als hinten in das Auto einzusteigen. Ein paar Minuten später waren sie und der Sicherheitsberater in der Tiefgarage des Wolkenkratzers und nach einer weiteren Minute oben auf der Damentoilette. Die Russen, die es wohl leid waren, sie hierherzubegleiten und in einer Kabine zu warten, hatten sich irgendwo ein Stück Kette von ungefähr sechs Metern Länge besorgt und das eine Ende davon mit einem Schloss am Siphon unter einem der Waschbecken befestigt. Das andere Ende hatten sie an eine Handfessel angeschlossen, die jetzt um Zulas Knöchel herum zuschnappte. Ihr Gepäck und ihr Schlafsack waren bereits auf dem Boden deponiert worden, zusammen mit einem Stapel Armeerationen, einem kleinen Häufchen Junkfood und einer Rolle Papierhandtücher. Die Kette bot Zula so viel Spielraum, dass sie zur Toilette gehen konnte, und Wasser aus dem Wasserhahn bekam sie auch. Was konnte ein Mädchen sich mehr wünschen?
Das war das einzige Mal, dass sie Rotz und Wasser heulte. In Embryonalstellung, mit dem Kopf auf den Boden schlagend. Das Angekettetsein, das war’s. Sie hatte eine Menge schräge Sachen durchgemacht, aber auf die Idee, sie anzuketten, war bisher noch niemand gekommen.
Am Ende richtete sie sich auf Händen und Knien auf und benutzte die Papierhandtücher.
Dann floh sie.
Während ihrer Collegezeit hatte sie mit ein paar anderen Mädchen ein Haus gemietet, in dem der Abfluss des Küchenspülbeckens chronisch verstopft gewesen war. Nicht umsonst hatte Zula ihre Kindheit und Jugend auf einer Farm in Iowa verbracht. Das Entscheidende, was man wissen musste, war, dass die Überwurfmuttern, die die Siphonrohre zusammenhielten, zwar sehr groß und unbeweglich aussahen, in der Regel jedoch nur handfest angezogen waren, da sie ja lediglich einen inneren Dichtungsring um das Rohr herum festdrücken mussten, und sie mit einer Rohrzange festzuquetschen hätte das Ganze nicht besser abgedichtet, sondern nur Schaden angerichtet.
Der Klempner, der den Siphon eingebaut hatte, an dem Zula angekettet war, hatte kräftigere Hände gehabt als sie, aber am Ende gelang es ihr, die Überwurfmuttern zu lösen und das U-Rohr herauszureißen.
Sie stopfte die lose Kette in ihre Umhängetasche, die sie sich anschließend über die Schulter warf.
Dann kletterte sie auf eine Toilettenschüssel und von dort auf eine der Kabinentrennwände und schob eine Deckenplatte zur Seite. In ihrer Tasche hatte sie eine Taschenlampe – noch eine übriggebliebene Angewohnheit des Farmermädchens aus Iowa –, mit deren Hilfe sie nach dem Ausschau hielt, was Sokolow bei seiner Inspektion am Anfang so besorgt gemacht hatte.
Es war nicht auf Anhieb sichtbar, und so kletterte sie hinauf in den niedrigen Raum über der Zwischendecke, fand Halt an einem der aus Zickzackverbindungen bestehenden Träger und bediente sich seiner, um von dem sicheren Haus weg auf den Innenteil des Gebäudes zu kriechen. Die Aufzugschächte lagen in der Nähe, waren jedoch mit Beton umkleidet, und eine offensichtliche Möglichkeit, in sie hineinzugelangen, schien es nicht zu geben; selbst wenn es sie gegeben hätte, war nicht klar, inwiefern ihr das geholfen hätte.
Als sie sicher war, dass sie die Grenze der Damentoilette passiert haben musste, griff sie nach unten, riss eine Deckenplatte hoch und warf einen Blick in den Bereich darunter. Es schien ein Versorgungsgang zu sein, der jetzt im Dunkeln lag.
Sie ließ sich auf die obere Seite des Metallgitters hinunter, in das die Deckenplatten eingelassen waren. Dieses trug zwar ihr Gewicht, wurde
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