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einmal eine große Absenkung, noch eine von diesen waagerechten pilzförmigen Staubwolken; und als sie sich gelegt hatte, waren die beiden Personen weg. Sie hatten sich auf den Weg gemacht. Sokolow blickte suchend die Straße hinauf und hinunter, während er sich zwang, ruhig zu bleiben und ganze Arbeit zu leisten. Er sah sie Hand in Hand von dem Gebäude wegrennen, auf eine ungefähr einen Häuserblock entfernte Kreuzung zu, wo sich eine große Menge von Zuschauern zusammengefunden hatte: Autos, die einfach stehen geblieben waren, und Fußgänger, die sich hinter ihnen duckten, um sich das Spektakel des brennenden und in sich zusammenfallenden Gebäudes anzuschauen.
Jeder der beiden Läufer hatte etwas Vertrautes an sich. Unter anderen Umständen hätte Sokolow sie an ihrer Hautfarbe erkannt, jetzt allerdings waren sie beide kreideweiß, denn wie so viele andere Leute in dem Viertel waren sie von Staub überzogen.
Der große war der Anführer der Mudschaheddin aus Wohnung 505.
Der kleine war Zula.
Warum rannten sie Hand in Hand? Arbeiteten sie irgendwie zusammen? Ihm fiel keine Möglichkeit ein, die Sinn ergeben hätte.
Dann stießen ihre Füße zusammen, und die nächsten paar Schritte stolperten und taumelten sie auseinander. Sie ließen sich los, und Sokolow sah, dass die beiden mit Handschellen aneinandergefesselt waren.
Das Gewehr hing über seiner Schulter. Er schob sich in eine Position vor, in der er sich gegen den Fensterrahmen stemmen konnte, und legte auf den großen, dunkelhäutigen Dschihadisten an. Aus dieser Distanz war der Schuss machbar, vorausgesetzt, der vorherige Besitzer dieses Gewehrs hatte es ordentlich gepflegt, aber er würde auf seinen Atem achten und warten müssen, bis das Ziel still stand. Bis dahin konnte er nichts anderes tun, als ihn mit dem Blick verfolgen und über die Grundlagen des Schusses nachdenken: wie er sich vorbereitete und welche Hindernisse sich ihm in den Weg stellen könnten.
Plötzlich wurde klar, worauf sie zusteuerten. Ein Taxi hatte angehalten, zwei Räder auf dem Bürgersteig und zwei auf der Straße, und der Fahrer war ausgestiegen und stand jetzt, den Blick auf die Unglücksstätte gerichtet, mit aufgeklapptem Mund und einer an seiner Unterlippe baumelnden Zigarette in der geöffneten Tür.
Der Mann in Sokolows Visier hatte es bemerkt. Mit einem kleinen Zwischenspurt, bei dem er Zula praktisch mit sich schleifte, arbeitete er sich an das Taxi heran, knallte mit Schwung gegen die hintere Tür auf der Fahrerseite, riss sie mit einem Satz nach hinten auf, schlang einen Arm fest um Zula und warf sich mit ihr zusammen seitwärts auf die Rückbank des Taxis, wo die beiden schließlich nebeneinander zu liegen kamen.
Das war womöglich das Einzige, was die Aufmerksamkeit des Taxifahrers von dem in sich zusammenfallenden Gebäude hatte ablenken können. Er drehte sich um und starrte mit nahezu demselben Erstaunen auf den Anblick von vier staubverkrusteten Beinen, die aus der offenen hinteren Tür seines Taxis herausragten. Er versuchte, etwas zu sagen, merkte aber, dass er eine Zigarette an der Lippe kleben hatte, zog sie ab, steckte den Kopf zur Fahrertür hinein und erstarrte.
Sokolow wusste, warum, obwohl er es nicht sehen konnte: Der Dschihadist hielt ihm eine Waffe ins Gesicht.
Nach kurzer Diskussion sank der Taxifahrer auf seinen Sitz, schloss die Tür, legte den Gang ein und setzte das Fahrzeug in Bewegung. Das Chaos auf der Kreuzung war so groß, dass Sokolow sie zu Fuß hätte einholen können. Ach was, sogar auf allen vieren. Den Dschihadisten zu töten und Zula zu helfen, so wünschenswert beides auch sein mochte, waren im Augenblick jedoch nicht seine Hauptanliegen. Er musste verschwinden, ehe die Polizei das ganze Gebiet abriegelte.
Bis vor kurzem hatte sich Csongor, wenn er über seine Stellung in der Welt nachdachte, nie als die Art Mensch wahrgenommen, die auch nur annähernd in einer Situation wie dieser enden würde. Was merkwürdig erscheinen mochte, da er ja mehr oder minder seit seinem vierzehnten Lebensjahr bei Kriminellen in Lohn und Brot war. Doch wie er Zula nur mit größter Mühe hatte erklären können, war das Meiste von dem, was Kriminelle taten, ziemlich langweilig, und sie bemühten sich eher nach Kräften, Ergebnisse wie dieses zu vermeiden.
Die Tatsache, dass er die stabilste und vernünftigste Person in der Familie war, sagte mehr über die jüngste Geschichte von Ungarn aus als über Csongor selbst.
Seine Familie,
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