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er, so laut es ihm möglich war: »Hallo! Hallo!«
Es war nahezu vollkommen dunkel. Umher tastend, erfühlte Csongor butterweiches, mit einer groben Schmutzschicht überzogenes Leder: Iwanows Handgelenktasche, die auf den Boden gefallen war und jetzt direkt neben ihm lag. Csongor zog sie zu sich her und öffnete sie für den Fall, dass sie eine Taschenlampe oder etwas anderes Nützliches enthielt. Seine Hände sagten ihm, dass sie fast bis oben hin mit chinesischem Geld gefüllt war. Dann gab es zwei außerordentlich dichte Rechtecke aus kaltem Metall: volle Magazine, stellte er fest, für eine Pistole, die nicht mehr zu sehen war. Daneben ein kleines schwarzes Gehäuse, das an einem Ende aussah wie zwei weit geöffnete Kiefer mit kleinen Metallstiften als Reißzähnen. Als Csongor es in die Hand nahm, landete sein Finger automatisch auf einem Knopf, der offensichtlich ein Auslöser war. Er betätigte ihn, worauf ein violetter Blitz zwischen den Reißzähnen hin und her sprang und verrückt umher tanzte und sich drehte, bis Csongor das Ding wieder losließ. Dumm! Falls hier irgendwo Gas austräte, hätte der Funke es gezündet.
Es hatte jedoch keine Explosion gegeben; folglich auch keinen Gasaustritt.
Es war eine Art nichttödliche Waffe: ein Elektroschocker. Vielleicht hatte Iwanow ihn mitgebracht, um den Troll damit zu foltern. Csongor betätigte erneut den Auslöser und benutzte den tanzenden Lichtbogen zur Beleuchtung. Wie erwartet, war die Tasche voll mit chinesischem Geld. Am Rand steckten allerdings Druckverschlussbeutel mit wichtigem Inhalt: Reisepässe und Handys.
Aus nicht allzu großer Entfernung nahm er Bewegung wahr.
»Hilfe!«, brüllte er.
Die Bewegung hörte auf.
»Hallo?«, rief Csongor.
»Hallo«, sagte eine Stimme im Dunkeln. »Kommen Sie bitte hier lang.«
»Ich komme«, sagte Csongor. Er ließ den Elektroschocker in die Herrentasche fallen und zog ihren Reißverschluss zu. Dann begann er, die Tasche hinter sich herziehend, auf die Stimme zuzukriechen.
»Flughafen!«, rief Mr. Jones. Dann breitete sich auf seinem Gesicht ein Ausdruck des Bedauerns aus, weil er, vermutete Zula, erkannt hatte, wie unbeherrscht er war. »Flughafen«, wiederholte er, viel ruhiger und deutlicher.
Da Mr. Jones’ rechte Hand an Zulas linke gefesselt war, hatten sie sich notgedrungen so arrangiert, dass Zula hinten rechts saß und Mr. Jones links, direkt hinter dem Fahrer, der sich ganz herumgedreht hatte, um Mr. Jones in lähmendem Entsetzen anzustarren.
»Flug … hafen«, sagte Jones zum dritten Mal, jetzt in einem Ton kaum beherrschter Wut, begleitet von einer leichten Schwenkbewegung der Pistole in seiner linken Hand. Schließlich drehte der Fahrer sich wieder nach vorne und legte den Gang ein. Das Taxi bewegte sich vielleicht zehn Zentimeter, ehe es anhielt, um nicht einen taumelnden, staubbedeckten Flüchtenden anzufahren. Aber immerhin bewegte es sich; der Taxifahrer hatte außer dem merkwürdigen Pärchen auf seiner Rückbank etwas, worüber er nachdenken konnte. Kurz darauf hatte er schon einen knappen Meter Asphalt hinter sich gebracht. Und von da an wurde es immer leichter. Als könnte die Menge, die dem Taxi das Recht eingeräumt hatte, sich einen Meter weit zu bewegen, ihm nun die nächsten zehn oder hundert nicht vorenthalten.
Sokolow beobachtete das langsame Verschwinden des Taxis im Gedränge mit professioneller Bewunderung. Er war ein hochqualifizierter und erfahrener Kämpfer, der ganz auf sich allein gestellt operierte, frei, sich eine Weile in diesem Gebäude zu verstecken oder zu einem Zeitpunkt seiner Wahl daraus aufzutauchen. Trotzdem hatte er seine Chancen, aus dieser Situation zu entkommen, mehr oder weniger bei null gesehen. Dagegen hatte es dieser moslemische Schwarze, das Opfer eines Überraschungsangriffs, mit Handschellen an eine unwillige Geisel gefesselt und direkt im Visier von Sokolows Gewehr, anscheinend geschafft, seine Flucht einfach dadurch zu bewerkstelligen, dass er eine Gelegenheit beim Schopf ergriff, die sich ihm zufällig geboten hatte. Natürlich hatte die durch die Explosion und den Zusammenbruch des Gebäudes verursachte Ablenkung ihm enorm geholfen, aber bewundernswert war es trotz alledem. Aufgrund langer Erfahrung in Ländern wie Afghanistan und Tschetschenien erkannte Sokolow in den Bewegungen des schwarzen Dschihadisten eine Art kulturellen oder einstellungsbedingten Vorteil, den solche Leute in Situationen wie dieser immer genossen: Sie waren vollkommene
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