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Error

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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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Seitenstraße ziehen sollte.
    Mit einer Bewegung, die zwischen einem Nicken und einer Verbeugung lag, trippelte der Chinese für einen Moment wieder unter die Gerüstbohlen, ehe er den Karren darunter hervorzog, sodass dieser unmittelbar unter Sokolow stand. Der Russe ließ sich hineinfallen. Mit derselben Bewegung warf er die blaue Plane über sich. Dann streckte er die Hand nach dem Müllsack aus, doch der Kärrner, dem seine Absicht klar war, hatte ihn bereits hochgehoben. Sokolow zog den Sack unter die blaue Plane. Er und der alte Chinese starrten sich jetzt durch einen etwa handbreiten Tunnel an, den Sokolow aus der Plane geformt hatte. Mit einer ruckartigen Kopfbewegung die Seitenstraße hinunter zeigte er die Richtung an, in die der Kärrner gehen sollte.
    Der Karren setzte sich in Bewegung. Sokolow holte sein Handy aus einer seiner Taschen, rief die Galerie-App auf und durchsuchte die Fotos, bis er auf ein Bild von einem der großen, in westlichem Stil erbauten Hotels am Wasser stieß: einer der Orte, an denen man sich als Weißer aufhalten konnte, ohne sein persönliches Stonehenge aus starrsüchtigen, Mund und Nase aufsperrenden Gaffern anzuziehen. Mit einem lauten Psst! gewann er die Aufmerksamkeit des Kärrners und zeigte ihm das Foto. Der Mann brauchte einen Moment, um es richtig zu erkennen – vielleicht waren seine Augen auch nicht so gut –, doch dann schien er zu begreifen. Er änderte seinen Kurs und zog Sokolow auf eine breitere Straße, auf der ein noch schlimmeres Gedränge herrschte als sonst. Staffeln von Polizei- und Hilfsfahrzeugen kamen ihnen entgegen. Sokolow zog die Ränder der Plane nach innen und beschwerte sie mit seinem Gewicht, damit ihm sein Schutz nicht von einem plötzlichen Windstoß oder der Hand eines neugierigen Jungen weggerissen wurde. Blaues Licht fiel durch die Plane. Es war heiß darunter, aber das musste er einfach nur überleben. Sein Puls lag vermutlich bei etwa hundertachtzig Schlägen pro Minute, was bedeutete, dass sein Körper eine enorme Hitze ausstrahlte. Er legte den Kopf auf den Arm, schloss die Augen und fing an, sich ganz bewusst um eine Verlangsamung seiner Atmung zu bemühen. In dem Trinkrucksack, der auf seinen Rücken geschnallt war, hatte er Wasser. Ein bisschen davon rieb er sich in die Haare, damit es verdampfte und seinen Kopf kühlte, dann steckte er sich das Schlauchende in den Mund und begann, ungefähr alle zehn Sekunden kleine Schlucke zu nehmen. Der Karren bewegte sich und blieb stehen, machte Schwenks und Sätze nach vorn durch das Menschengewühl. Sokolow lebte, und er schuf Abstand zwischen sich und dem Epizentrum.
    »Mein Fehler«, sagte Yuxia immer wieder, während der Lieferwagen, dicht hinter dem staubbedeckten Taxi, in dem Zula saß, die Auffahrt zu dem Autobahnring nahm. »Mein Fehler, mein Fehler, mein Fehler.«
    »Es gibt keinen Fehler«, sagte Csongor. Er musste brüllen, um gehört zu werden, da der Wind, als sie auf Autobahngeschwindigkeit beschleunigten, durch den Spalt im Wagendach zu heulen begann. »Du hast nichts falsch gemacht.«
    »Aber ich hab sie gesehen«, jammerte Yuxia. »Sie ist direkt an mir vorbeigelaufen! Ich hab gehupt, aber sie hat sich nicht umgeschaut. Aiyaa!«
    Sie schienen eine Menge Fahrzeuge zu überholen. Marlon, der neben Csongor in der zweiten Sitzreihe, unmittelbar hinter Yuxia, saß, beugte sich vor und machte eine scharfe Bemerkung. Yuxia warf zum ersten Mal, seit sie losgefahren waren, einen Blick auf den Tacho, worauf der blaue Stiefel vom Gaspedal wich.
    Und keinen Moment zu früh, denn fast wären sie an einem staubbedeckten Taxi auf der rechten Spur vorbeigeschossen. Yuxia ließ es ein wenig Vorsprung gewinnen, bevor sie sich wieder rechts einordnete und damit lautstarke Proteste von Auto- und Lastwagenhupen überall um sie herum erntete.
    »Also«, sagte Csongor. In Wirklichkeit hatte er nämlich keine Ahnung, was los war. »Zula ist an dir vorbeigerannt. Du hast sie angehupt. Sie hat dich ignoriert. Sie ist in ein Taxi gestiegen …?«
    »Sie wurde in eins reingeworfen, das ist das Entscheidende.«
    »Wer hat sie in ein Taxi geworfen? Wovon redest du überhaupt?«
    Sie klappte den Mund auf und schüttelte verzweifelt den Kopf.
    »Der große Schwarze?«, mutmaßte Marlon.
    »Nein, großer Weißer.«
    Marlon und Csongor sahen einander an.
    »Weiß wie Papier«, fuhr Yuxia fort. Sie leckte einen Finger an und hielt ihn, nachdem sie sich damit einen Streifen Betonstaub von der Wange gewischt

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