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erfahren, dass sie in ebendiesem Augenblick versuchte, seine Grenzen zu durchdringen.
»Hören Sie«, sagte sie, »ich will einfach nur in Vancouver positioniert sein, damit ich bei nächster Gelegenheit dieser Spur folgen kann.«
»Es ist eigentlich gar keine Spur«, wandte er ein, »und die nächste Gelegenheit ergibt sich am Montag; denn voilà, soeben beginnt das Wochenende.«
Sie beschloss, hier vorderhand nicht nachzuhaken. »Hat sich irgendetwas Neues ergeben?«
»Es handelte sich um eine Bärenjagdgesellschaft, zwei Führer, drei Jäger und sämtliche Ausrüstung, die man sich so vorstellt, alles in einen Geländewagen gepackt. Sie sind vor elf Tagen aufgebrochen. Wegbleiben wollten sie eine Woche. Sie sind jetzt also vier Tage überfällig, man hat nichts von ihnen gehört, sie sind spurlos verschwunden.«
»Als wir das erste Mal miteinander geredet haben, war mir so, als hätten Sie gesagt, sie werden seit zehn Tagen vermisst.«
»Vielleicht haben Sie so etwas gehört, aber ich habe es nicht gesagt. Der Ärger für diese Leute könnte schon vor elf Tagen, vielleicht aber auch erst vor vier angefangen haben.«
»Das Flugzeug, nach dem ich suche, dürfte vor ungefähr dreizehn Tagen gelandet sein.«
»Die Daten passen also nicht zusammen«, wandte er ein.
»Aber wenn sie gelandet sind und sich ein paar Tage lang irgendwo verkrochen haben …«
»Wo denn? Warum gibt es keine Spur von dieser Landung? Oder vom Verkriechen?«
Schweigen. Olivia ließ ihren Wagen wieder ein Stück vorwärtsrollen, hielt an der roten Ampel. Sie war als Nächste dran, die Grenze zu überqueren.
Was würde Jones tun? Wenn er feststellte, dass er nördlich dieser imaginären Linie auf der Karte festsaß?
Wenn er einen Geländewagen voller Campingausrüstung hätte?
Er hatte zehn Jahre am Stück in der Wildnis Afghanistans gelebt. Verglichen damit wäre eine Wanderung die Cascades hinunter ein Kinderspiel.
»Er ist da oben«, insistierte sie. »Das heißt, wenn er nicht schon die Grenze überquert hat.«
Fournier seufzte. »Wenn Sie vermuten, dass er die Grenze vielleicht schon überquert hat, warum bleiben Sie dann nicht südlich davon?«
»Weil ich nur seiner Spur folgen kann«, sagte sie, »und aufnehmen werde ich sie in Kanada.«
Schweigen. Sie stellte sich vor, wie er seine Brille abnahm, sich die müden Augen rieb, an das Glas Wein dachte.
Die Ampel wurde grün, das Auto vor ihr glitt in ein anderes Land.
»Ich muss Schluss machen«, sagte sie. »Ich überquere jetzt die Grenze.«
»Bienvenue à Canada, Ms. Halifax-Lin«, sagte Inspektor Fournier und unterbrach die Verbindung.
Egdod hatte gerade Gesellschaft von einem von Corvallis’ Lieblingscharakteren bekommen, einem K’Shetriae-Vagabunden, der sich (vor ein paar Tagen) der Erdton-Koalition angeschlossen hatte. Als Langzeitstudent des Spiels hatte Corvallis eine hohe Wertschätzung für die Komponente des Glücks entwickelt, etwa was die Wahrscheinlichkeit anging, dass die Zufallszahlengeneratoren von Corporation 9592 einem gewogen waren. Manche Charaktertypen und Gruppierungen hatten mehr Glück als andere. K’Shetriae-Vagabunden hatten am meisten Glück von allen. Kürzlich hatte Richard den Daumen auf die Waagschale gelegt und dafür gesorgt, dass alle Angehörigen der Erdton-Koalition etwas mehr vom Glück begünstigt waren als ihre Gegenüber bei den Kräften des Hellen, und Corvallis hatte sich das umgehend zunutze gemacht und seine gesamte helle Ausstattung gegen geschmackvollere und dezentere Klamotten eingetauscht.
»Er bewegt sich«, verkündete Richard, der mittlerweile in seinen Computer sprach. Dem Ableben seines Bluetooth-Headsets war wenige Stunden später das seines Handys gefolgt, und ein Mann, der seit sechs Stunden in einen Eimer pinkelte, hatte ganz bestimmt keine Zeit, sich auf die Suche nach einem Ladegerät zu machen. Aber solange Clover (denn so hieß Corvallis’ unheimlich vom Glück begünstigter Charakter) in Hörweite von Egdod blieb, konnte Corvallis alles hören, was Richard sagte, wenn auch digital in das ehrfurchtgebietende Timbre von Egdod umgewandelt.
»Mir fällt auf, dass du ihn nicht mehr ›der kleine Scheißer‹ nennst«, sagte Clover mit einer etwas näselnden, hohen Stimme, die ganz und gar nicht nach Corvallis klang. Clover hatte überdies einen irischen Akzent; dies war ein Menüpunkt, für den sich gemeinhin amerikanische Spieler entschieden, die eher wie Filmfiguren klingen wollten.
»Okay, okay, er hat
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