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Error

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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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ein Drittel von dem verstand, was gesagt wurde. Die naheliegende Frage, die sich angesichts der Wahl seines Namens stellte – wofür suchte er Vergebung? – würde vorderhand unbeantwortet bleiben. Aber es schien klar, dass er spät im Leben zum Islam konvertiert war und die verlorene Zeit unbedingt wettmachen wollte. Einen Hinweis bekam sie, als er den Kopf drehte, sodass ein etwa briefmarkengroßes Hauttransplantat auf seinem Schädel zu sehen war. Ähnliche Schädigungen kannte sie von ihren hellhäutigen, auf dem Land lebenden Verwandten. Er wurde wegen eines bösartigen Melanoms behandelt und hatte wahrscheinlich kein Jahr mehr zu leben. Bis sie das gesehen hatte, hatte sie sich gefragt, warum ein Mann wie Jones in diesem typisch amerikanischen Frischling irgendetwas anderes als einen FBI -Spitzel sehen konnte.
    Die Macht der Trägheit war ihr ein Quell ständiger Verwunderung. Nicht, dass die Dschihadisten ein Monopol darauf gehabt hätten. Aber konnten sie sich bei so viel Manpower im Camp tatsächlich nicht selbst ihr Essen kochen? Ein kleines Büfett aufbauen, sich das Essen ohne weibliche Hilfe auf den Teller löffeln? Und Zula dabei an einen anderen Baum außer Hörweite anketten. Aber es schien eine Riesensache für sie zu sein, dass ihre Gefangene diese Arbeit für sie verrichtete. Sie kam zu dem Schluss, dass sie zur Schau gestellt wurde wie Kleopatra beim Triumphzug durch Rom. Jones wollte, dass die anderen sahen, wie sich die Ungläubige seiner Herrschaft unterworfen hatte.
    Was natürlich nicht der Fall war. Aber zum Zweck dieser einen Mahlzeit tat sie mit Freuden so. Sie behielt sogar wie eine Art Tschador die Kapuze auf dem Kopf. Und sie hörte ihnen bei ihrer Unterhaltung zu und wunderte sich selbst darüber, wie viel sie mittlerweile davon verstand.
    Sie aßen eine Weile miteinander, stillten ihren Appetit, plauderten und scherzten. Und dann begann Jones, in einem Kommen-wir-zur-Sache-Ton das Wort an sie zu richten. Und was er sagte, war, dass er sich demnächst hinhauen werde, weil er lange vor Sonnenaufgang aufstehen müsse, um die nächste Phase der Operation in Angriff zu nehmen. Er werde sie dann einige Stunden lang nicht wiedersehen. In der Zwischenzeit sollten sie sich ausschlafen, aber beizeiten aufstehen und alles so vorbereiten, dass es zwischen zwei Gruppen aufgeteilt werden könne: das Basislager und die Expedition. Die zweite Gruppe werde größer sein als die erste und auf ein großes Abenteuer ausziehen. Das mindere aber keineswegs die Bedeutung der Basislagertruppe oder schmälere den Ruhm, den sie sich erwerben, und den himmlischen Lohn, den sie ernten würden …
    (Es war, wie Zula klar wurde, einfach eine weitere geschäftliche Besprechung. Das Einzige, was fehlte, war die PowerPoint-Präsentation. Einige aus der Gruppe – vermutlich die Cs – bekamen die Scheißarbeit aufgedrückt, und zuerst musste Jones sie mit der Mahlzeit und dem Appell an die Kameradschaft milder stimmen.)
    Zurückbleiben und Zulas ausgezeichnete Lagerfeuerküche genießen würden Zakir, Ershut und zwei andere. Einen davon, Sayed, hatte Zula im Geiste als Doktoranden klassifiziert: ein ruhiger Mann, den Vierzig näher als den Dreißig, der sich im Camping- und Wandermilieu deutlich unwohl fühlte. Für Zula lag auf der Hand, warum er und Zakir zurückgelassen wurden – sie hätte genau die gleiche Entscheidung getroffen –, und beide machten den Eindruck, als wären sie zugleich enttäuscht und erleichtert.
    Ershut allerdings war wie vor den Kopf geschlagen. Das Gleiche galt für Jahandar, einen Afghanen, den Zula zuletzt mit einem Scharfschützengewehr und einem Fernglas auf dem Dach des Wohnmobils hatte sitzen sehen. Zula musste sich selbst ein wenig Mühe geben, um ihr Erstaunen zu verbergen, denn wenn je ein Mensch wie geschaffen war für einen langen Marsch über einen Gebirgszug in feindlichem Gebiet, dann Jahandar. Das ging so weit, dass Zula gewisse Schwierigkeiten hatte, sich vorzustellen, wie sie ihn so tief in eine westliche Demokratie eingeschmuggelt hatten. Sie mussten ihn mit Drogen betäubt, in eine Kiste gepackt, ihn per Luftfracht direkt aus Tora Bora herbefördert und bis jetzt auf einem Berggipfel eingesperrt haben. Alles an seinem Äußeren – die Mütze, der Bart, der funkelnde Blick, die Narben – würde in jeder Gemeinde westlich des Kaspischen Meers zu seiner sofortigen Verhaftung führen. Doch wie auch immer sie es geschafft hatten, Jahandar war hier, und er war

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