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mäandernden Schritt, der ihn als absoluten Neuling kennzeichnete, das Stadttor passiert und war seither in dem Bemühen, diese Börse zu finden, wie betrunken durch die schmalen Gassen gewankt. Oder vielmehr in dem Bemühen, dahinterzukommen, wie das Navigations-Benutzerinterface funktionierte, was auf dasselbe hinauslief.
Nach allem, was er von solchen Spielen gehört hatte, wunderte sich Csongor, dass er nicht schon zum Scherz angegriffen und umgebracht worden war. Auf den Straßen gab es jedenfalls Charaktere, die so aussahen, als wären sie durchaus dazu fähig. Sie ignorierten ihn. Ab und zu verbeugte sich ein anderer Kaufmann oder irgendein niederrangiger Charakter wie etwa ein Laufbursche vor ihm, zog seinen Hut und entbot einen höflichen Gruß. Wie es schien, besaß Lottery Discountz Status. Im Spiel zeigte sich das unter anderem daran, dass Charaktere von insgesamt nichtgewalttätiger Art ihn respektvoll grüßten. Vielleicht erklärte das auch, warum ihn auf der Straße noch niemand ausgeweidet hatte. Aber er hatte die Vorstellung, dass man ihm immer weniger Achtung entgegenbrachte, je mehr er herumstolperte, und nach neuerlichem Wiki-Nachlesen und Steine-Umdrehen im User-Interface stellte er denn auch fest, dass sein allgemeiner Grad von Respektabilität seit dem Augenblick, in dem er das Gasthaus verlassen hatte, stetig gesunken war. Offenbar lag das daran, dass er es versäumt hatte, sich seinerseits zu verbeugen und seinen Hut zu ziehen. Die Leute, die er unabsichtlich brüskiert hatte, hatten ungünstige Berichte über ihn geliefert. Also lernte er, wie man sich verbeugte und seinen Hut abnahm – es war eine einfache Befehlstasten-Kombination –, lief eine Zeitlang die Straße auf und ab, war ausgesucht höflich zu jedermann, dem er begegnete, und stellte seinen Ruf wieder her, bevor er getötet wurde.
Was dann trotzdem passierte. Und ihn zwang, das Verfahren zu lernen, mit dem man einen Charakter aus dem Limbus heraus- und in die Welt der Lebenden zurückbrachte. Doch danach schaffte er es in ziemlich kurzer Zeit zur Börse von Carthinias, spazierte sich verbeugend und den Hut ziehend die vergoldeten Kolonnaden auf und ab und lauschte dem fast völlig unverständlichen Geplauder zwischen den Besuchern. Denn alles war eingekleidet in einen hochgradig komprimierten englischen Jargon, der für Nichtmuttersprachler optimiert war, die gern mit eingeschalteter Großbuchstabentaste tippten. Es handelte sich, wie ihm klar wurde, um die T’Rain-Entsprechung der kryptischen Handsignale, wie sie Börsenmakler verwendeten, die über ein lärmendes Parkett hinweg kurze und bündige Anweisungen übermitteln mussten.
Sich in einer virtuellen Welt aufzuhalten erforderte natürlich eine gewisse Fähigkeit, die eigenen Zweifel auszusetzen und sich auf die einvernehmliche Halluzination einzulassen. Bislang hatte Csongor davon nur wenige Momente erlebt, und zwar im Wesentlichen im Zuge einfacher Aktivitäten wie etwa dem Herumstolpern in seinem Zimmer oder dem Herumspazieren auf der Straße. An diesem Ort jedoch fand er das vollkommen unmöglich, teils weil er den Vorgängen nicht folgen konnte, teils aber auch, weil die fiktionale Prämisse hier von allen Orten in T’Rain am fadenscheinigsten war. Der einzige Zweck dieses Marktes bestand darin, Geld zwischen der virtuellen Ökonomie von T’Rain und derjenigen der realen Welt hin und her zu bewegen. Wenn sich Geld hinausbewegte, musste es vernichtet – dauerhaft und unwiderruflich aus dem T’Rain-Universum entfernt – werden. Das wurde dadurch bewerkstelligt, dass man es Göttern opferte. Die zu transferierende Goldmenge wurde zu einem von mehreren Tempeln gebracht, die auf zerklüfteten Akropolen entlang der Stadtgrenzen standen, und Priestern oder Priesterinnen übergeben, die irgendein Ritual vollzogen, damit es zu existieren aufhörte: In manchen Fällen schleuderten sie es in Erdspalten, wo es von übernatürlichen Kräften atomisiert wurde; in anderen stapelten sie es auf erhöhten Himmelsaltären, wo es nach Anstimmung der entsprechenden Beschwörungen schlicht verschwand. Von den mit Jargon um sich werfenden Händlern an der Börse abgestoßen und entmutigt, wanderte Csongor hinauf in diese Felsenhügel und sah bei einigen dieser Rituale zu. Alles wurde ganz offen vollzogen und war von spärlich besuchten Zuschauerrängen aus deutlich zu sehen, wahrscheinlich um klarzumachen, dass alles mit rechten Dingen zuging und keiner von den Priestern ein
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