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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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Räume des Schlosses. Das war schon vorgekommen. Es war jedes Mal eine Riesenschweinerei. Wahrscheinlich war es Dodge gewesen, der frühmorgens aufgestanden war, mit einem Badmintonschläger eine verirrte Fledermaus gejagt und nicht an die empfindlichen Sprinklerköpfe gedacht hatte. Jetzt war er im Morgengrauen allein im Schloss, es war dunkel, und er war nass, wütend, gedemütigt und zu stolz, um Hilfe zu rufen.
    Chet wuchtete sich aus dem Bett, pinkelte und zog sich seinen ledernen Motorradanzug über den Pyjama. Nicht sehr würdevoll, aber nur Dodge würde ihn sehen, und vor Dodge hatte er keine Geheimnisse. Er trat hinaus auf das Stück Kies zwischen seiner Hütte und der Straße. Dort stand das Motorrad. Es war dreckig und mitgenommen, brauchte einen Ölwechsel. Jeder halbwegs Vernünftige würde den Geländewagen nehmen, der direkt daneben stand. Aber Chet hatte aus einer Laune heraus beschlossen, Motorrad zu fahren. Was zum Geier, er war ohnehin wach und würde sich den ganzen Tag mit der von Dodge angerichteten Schweinerei befassen müssen. Viel unangenehmer als das konnte es auch nicht werden.
    Er schwang sich auf die Harley, betätigte den Kickstarter, beschrieb einen Schlenker durch den Kies und steuerte auf die kleine Zufahrtstraße, die von seinem Grundstück zur Landstraße führte. Es handelte sich um eine ehemalige Bergwerksstraße, die einmal im Jahr, wenn das Frühjahrstauwetter damit fertig war, sie in eine gefurchte Rinne zu verwandeln, planiert wurde. Schlimmer als heute würde es also nicht werden. Vorsichtig folgte er dem vom Scheinwerfer des Motorrads geworfenen Lichtkegel und richtete in den ersten Minuten seine ganze Aufmerksamkeit darauf, die tiefsten Furchen zu vermeiden, die in den Wochen seit Einsetzen des Tauwetters in den Boden gekerbt worden waren. Dass er nur langsam vorwärtskam, erwies sich letzten Endes als Segen; wäre er schneller gefahren, hätten die Reifen halbgefrorene Matschklumpen hochgeschleudert, die sich an den Innenseiten der Schutzbleche festgesetzt hätten.
    Als er sich dem Flussufer näherte, lichtete sich der Baumbestand und gewährte ihm klare Sicht auf den Osthimmel, der inzwischen rosig schimmerte. Chet war versucht, den Scheinwerfer auszuschalten und ohne Licht zu fahren, so wie früher immer. Vor dem Unfall. Aber der Unfall hatte ihm Vernunft eingebläut, falls man es so nennen konnte, wenn es einem Maisstängelsplitter ins Gehirn trieb. Und das Leben in dieser Gegend hatte ihn gelehrt, dass gerade zu dieser Tageszeit Tiere unterwegs waren: Es war so hell, dass sie sehen konnten, was zum Teufel sie taten, aber nicht so hell, dass sie ohne weiteres von Raubtieren auszumachen waren; deshalb war die Wahrscheinlichkeit, dass ein einsamer Biker sich umbrachte, indem er mitten auf der Straße einen Elch rammte, zu dieser Tageszeit am höchsten. Auch Raubtiere waren jetzt unterwegs, suchten mit ihren großen, glühenden Augen nach dämmerungsaktiver Beute und lauschten mit ihren zuckenden Radarhornohren. In den Selkirks gab es ein solches Überangebot an Spitzenprädatoren – Bären zweier Arten, Wölfe, Kojoten, Pumas und diverse kleinere Katzen, um nur die vierbeinigen zu nennen –, dass einem ihr Platz in der Ernährungspyramide nicht mehr so sehr wie eine Spitze als wie ein Plateau oder eine Mesa vorkam. Wenn es schon übel war, mit dem Motorrad ein Stück Wild anzufahren, was war es dann erst, einen Grizzly anzufahren, der sich an ein Stück Wild heranpirschte?
    Also ließ er das Licht brennen, während er südwärts auf die Straße abbog und das Tempo nur langsam steigerte, die Reifen auf dem sauberen Asphalt einige hundert Meter frei laufen ließ, damit sie den dicken Belag aus kaltem Matsch loswurden. Dann gab er Gas und nahm die Kurven in Richtung Schloss in Angriff, beschleunigte, wenn ein langer, übersichtlicher Straßenabschnitt vor ihm lag, und nahm Gas weg, wenn er sich blinden Kurven näherte, wo im dichten, niedrigen Unterholz, das zu dieser Jahreszeit in den sonnenerleuchteten Gräben und Randstreifen neben der Straße zum Leben erwachte, Wild äsen könnte.
    Schon nach wenigen Minuten – eigentlich zu früh, denn allmählich genoss er die Fahrt – durchfuhr er die lang gezogene Linkskurve, die in den Schatten von Baron’s Rock eintauchte, und spürte, wie die Straße unter ihm zum Damm hin abfiel. Hier verbreiterte sie sich zu einem Wendeplatz für Fahrzeuge, die zu lang und zu schwer waren, um über den Damm zu fahren, und zu einer Art

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