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vorbeiführte, dann gab er Vollgas, ließ die Kupplung los und stellte den Hobel beim Beschleunigen tatsächlich aufs Hinterrad.
Als er am Schloss vorbeifuhr, sah er im Augenwinkel eine aus orangegelbem Licht bestehende, lilienartige Form und machte sich klar, dass er in die Laufmündung eines Gewehrs starrte, mit dem auf ihn geschossen wurde: ein Gewehr mit einem Mündungsfeuerdämpfer am Ende des Laufs, der die Flamme in sechs gleichwinklige Strahlen zerlegte, die Blütenblättern ähnelten. Aus dem Gewehr kamen, jeweils von einem hämmernden Geräusch begleitet, eins, zwei, drei, vier Schüsse, und hinter sich hörte er das scharfe Knallen, mit dem die zwei Schützen auf dem Damm alles auf ihn abfeuerten, was sie in ihren Magazinen hatten.
Eine Rechtskurve sorgte dafür, dass ein paar Bäume zwischen ihn und die Verrückten gerieten, die ihn umzubringen versuchten. Er besaß schließlich die Geistesgegenwart, den Scheinwerfer des Motorrads auszuschalten. Sein Arm ließ sich nur schwer bewegen. Er erinnerte sich vage, vor ein paar Sekunden einen Schlag abbekommen zu haben, einen von einem Reifen hochgeschleuderten Stein oder so etwas. Er musste einen Nerv betäubt haben. Sein Körper war alt und abgenutzt und litt von Zeit zu Zeit unter seltsamen Gebrechen.
Zwischen den Bäumen blitzte eine Lampe auf, die dabei auf- und abhüpfte. Den Hang herunterkam. Nicht auf ihn, sondern auf eine Stelle auf der Straße vor ihm zu.
Die Lampe machte einen Satz auf die Straße, dann schwenkte ihr Strahl nach oben und beleuchtete das Gesicht des Trägers. Es war zu weit weg für ihn, um es deutlich zu erkennen, und er hatte keine Lust, näher heranzukommen. Im Augenblick war er außer Flinten- und Pistolenreichweite, aber wenn diese Person ein Gewehr hatte …
»Chet! Ich bin’s! Zula!«
Er gab Gas und hielt neben ihr. Im Näherkommen vermerkte er mit Interesse, dass sie eine Repetierflinte in der Hand hielt.
»Wir haben gedacht, du wärst tot«, sagte er.
»Bin ich aber nicht.«
»Wo ist Dodge?«
»Nicht hier. Mach schon, wir müssen weiter.«
»Sag bloß.« Denn inzwischen konnte er die Stimmen der Männer hören, die hinter ihnen herrannten.
Zula sicherte die Flinte. Sie trug einen großen, unordentlich gepackten Rucksack. Sie stellte einen Fuß auf die Beifahrerfußstütze, schwang das Bein über den Sitz und setzte sich hin. Sobald Chet das Gewicht ihres Körpers an seinem Rücken spürte, ließ er die Kupplung kommen und fuhr an, zunächst nur im Laufschritttempo, damit die Verfolger nicht noch mehr Boden gutmachten, dann schneller, als er das Gefühl hatte, dass Zula ihr Gleichgewicht gefunden hatte und wahrscheinlich nicht rückwärts vom Motorrad kippen würde.
Dann taten sie eine Weile nichts anderes als fahren. Dieser Teil der Geschichte gefiel Chet: mit Zulas Armen um seine Taille im Dunkeln die Straße entlangzufahren, während sich ein lachsfarbenes Licht über das Himmelsgewölbe ausbreitete.
Sie wechselten kein Wort, bis sie den Wendeplatz unmittelbar vor der zerstörten Bergwerksanlage erreichten, wo eine Million alter grauer Planken wie ein Erdrutsch bis zum Fluss hinunterreichten. Von hier konnten sie eine kurze Auffahrt zur Fahrrad- und Langlaufpiste nehmen, die die Harley ohne weiteres schaffen könnte. Aber es schien vernünftig anzuhalten.
»Ich sehe keine andere Möglichkeit, als weiterzufahren«, sagte Zula.
»Aber da ist nichts«, sagte Chet und wies mit dem Kinn den Pfad entlang.
»Außer den USA «, gab sie zu bedenken. »Und du weißt, wie man da hinkommt, stimmt’s?«
»Nicht auf dem Ding hier! Damit kommen wir nur bis zum Tunnel.«
»Aber das sind wieder ein paar Kilometer mehr zwischen uns und den Dschihadisten«, wandte sie ein.
»Wie nennst du sie?«
»Und du weißt, wie man von dort aus weiterkommt. Zu Fuß. Stimmt’s? Hast du doch mit Richard immer gemacht.«
»Aber das ist Jahre her, Mädchen.«
»Aber du weißt es. Du kennst den Weg. Und die nicht. Also können wir sie abhängen.«
»Wir sollten uns von ihnen überholen lassen. Und dann zurückgehen.«
»Darauf warten die doch nur. Die sind schlau. Die werden jemanden als Wache an der Straße über den Damm postieren.«
»Trotzdem, wenn wir oben zwischen den Bäumen bleiben, uns durch den Wald bewegen …«
»Hör zu. Ein paar von diesen Typen haben Richard. Sie haben Dodge.«
»Ist Dodge okay?«
»Soviel ich weiß, ja. Jedenfalls sind sie südlich von uns. Sie haben kein Motorrad. Wir können sie gerade noch
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