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Erschiess die Apfelsine

Erschiess die Apfelsine

Titel: Erschiess die Apfelsine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Gewicht auf ihn, so dass er ins Wanken geriet. Ich drückte noch weiter und spürte, wie wir fielen. Der Griff löste sich, als er versuchte, sich abzustützen. Gerade als wir auf dem Boden aufschlugen, drückte ich den Ellbogen nach hinten, weit in sein Zwerchfell hinein. Er krümmte sich heulend zusammen und versuchte einen Faustschlag auf meiner Schläfe zu landen. Ich duckte mich und schlug ihm fest aufs Nasenbein. Ein dumpfes Knirschen. Und dann überall Blut, hellrot und warm. Gleichzeitig ging der Kerl mit dem gegelten Haar, Ludvig, zum Angriff über, ein wütender Tritt zielte auf meinen Kopf. Im letzten Moment konnte ich mich zur Seite rollen. Kam schnell auf die Füße und fing an zu tänzeln. Kurze, harte Schläge auf seine Stirn und Wangenknochen. Er versuchte es wieder mit einem Kicktritt, aber ich rammte ihm den Ellbogen in den Schenkel. Ein scharfer Schnabel tief in den Muskel, überrumpelt taumelte er zur Seite. Jetzt verschärfte ich das Tempo, meine Schläge kamen immer schneller hintereinander und versetzten seinen Kopf in Schwingungen. Er versuchte zu parieren, war aber zu langsam. Ich tanzte wie eine Wespe, aufblitzende, schnelle Ausfälle, die seine Augenbraue platzen ließen. Klebriges Blut in den Augen. Ludvig keuchte, das Weiß in seinen Augen war zu sehen und noch etwas anderes.
    Angst.
    »Welchen Arm soll ich dir brechen?«, fragte ich. »Den rechten oder den linken?«
    »Du bist erledigt«, zischte er und zielte mit einem rechten Haken direkt auf mein Kinn.
    Ich sah ihn wie einen D-Zug kommen, tausend Tonnen Stahl mit Lichtgeschwindigkeit. Mit einem schnellen Ruck senkte ich den Nacken und spürte, wie der Luftzug vorbeisauste. Gleichzeitig packte ich das Handgelenk, führte die Bewegung weiter in dieselbe Richtung fort, drehte den Arm um ein Viertel und verpasste ihm einen Ruck. Mit einem trockenen Knacks brachen beide Knochen im Unterarm. Die rechte Hand fiel wie ein Sack herunter, und geschockt begriff er, was passiert war. Schreiend sank er auf die Knie, neben seinen Kumpel, der durch die zermalmte Schweineschnauze schnorchelte.
    »Du hast dich für den rechten Arm entschieden«, sagte ich. »Dumm gelaufen, schließlich habe ich gesehen, dass du Rechtshänder bist.«
    »Du bist … du bist … du bist …«
    »Wenn du ›erledigt‹ sagst, dann breche ich dir noch den anderen.«
    Der Typ verstummte, seine Oberlippe zitterte. »Übrigens lässt Pålle schön grüßen«, fuhr ich fort. »Und bis zum nächsten Mal. Dann geht es rund.«
     
    Der Tagtraum verblasste, ich stand im Badezimmer und betrachtete den blauen Fleck am Oberschenkel, der brannte und knallrot strahlte. Vorsichtig pulte ich Sandkörner und Dreck zwischen den Hautfetzen der linken Hand heraus, mit der ich mich im Fallen abgestützt hatte. Der letzte Satz musste noch besser werden. So eine richtig ätzende Drohung, bevor man davongeht. Bis zum nächsten Mal. Dann setzt es was. Nein, zu billig.
    Bis zum nächsten Mal. Dann fällt der Vorhang.
    Bis zum nächsten Mal. Das wird euer Untergang.
    Ja, das saß. Zurückgespult. Ich breche also den Arm des Kerls mit einem hässlichen Knacksen und sehe, wie er neben seinem blutigen Schweinevisagenkumpel zusammenklappt. Großaufnahme auf meine stahlgrauen Augen. Sie sind nicht stahlgrau, aber das lässt sich digital hinkriegen. Großaufnahme auf meine mahlenden Wangenmuskeln. Ich habe ihnen eine Lektion erteilt, aber kontrolliert. Ich hätte sie zermalmen können, ihnen die Scheiße aus den Gedärmen drücken, wenn ich gewollt hätte, aber ich habe mich dazu entschlossen, sie so zurückzulassen. Wie eine Botschaft. Nicht nur an sie, sondern an all das Böse, das dahinter lauert. Eine Botschaft an alle Stinkstiefel der Welt, die ihnen zu denken geben wird.
    Und dann, nach einem unergründlichen Schweigen, bitte ich darum, sie von Pålle grüßen zu dürfen. Bis zum nächsten Mal. Das wird euer Untergang.
    Und während der Satz noch nachklingt und dem Kinopublikum im Gedächtnis bleibt, der Held davonschreitet, schiebt sich ein Gesicht in Großaufnahme davor. Es ist ein Mädchen mit rabenschwarzen Haaren und smaragdgrünen Augen, voller intensiver Sehnsucht. Sie kann ihn nicht aus den Augen lassen. Er geht, um vielleicht niemals wieder zurückzukehren, und sie wird ihn niemals vergessen können. Sein Bild ist in ihr Herz gebrannt. Es tut so weh, die Sonne versinkt über den Feldern, und da ist auch noch diese schmerzhaft schöne Musik, eine einsame Flöte über den weinenden Gitarren

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