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Erschiess die Apfelsine

Erschiess die Apfelsine

Titel: Erschiess die Apfelsine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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verstecken konnte. Dunkelgraue Fingerhandschuhe. Ich probierte die Kleider vor dem Spiegel, ich sah aus wie ein Penner. Einer, der nicht auffiel. Perfekt.
    Als draußen die Abenddämmerung einsetzte, fuhr ich auf dem Fahrrad zur Tankstelle. Von Mamas Geld kaufte ich eine Spraydose Farbe. Weiß würde man am besten sehen können. Ich stopfte sie in die Tasche, eingewickelt in eine Plastiktüte und bezahlte, ohne mit der mürrischen Kassiererin ein Wort zu wechseln.
    Mit gesenktem Kopf radelte ich nach vorne gebeugt Seitenstraßen und Radwege entlang, so dass es vollkommen planlos erschien. Ab und zu vergewisserte ich mich, dass mir auch keiner folgte. Auf großen Umwegen erreichte ich schließlich mein Ziel. Vor mir ragte das Schulgebäude auf, groß und schweigend hinter den Birken auf dem Schulhof. Östra Läroverket. In der Dunkelheit ähnelte es einer Ritterburg. Die Mauern aus dunklen Ziegeln, hier und da war Licht in den Fenstern. Gab es tatsächlich Menschen zu dieser Uhrzeit da drinnen? Oder war es beleuchtet, um Einbrecher abzuschrecken?
    Bislang war alles planmäßig verlaufen, aber jetzt wurde ich unsicher. Ich versteckte das Fahrrad in einem Gebüsch und zog die Kapuze bis auf ein kleines Guckloch zu. Gab es Überwachungskameras? Ich nahm es nicht an, musste aber dennoch damit rechnen. Mein Plan beruhte auf Schnelligkeit. Ein kurzer Sprint zur Schulmauer, sprayen, blitzschnell sprayen, und nach einer Minute wieder weg. Niemand würde mich in dieser Verkleidung wiedererkennen. Ich hätte noch eine Mütze aufsetzen sollen. Mit einem großen Schirm, der das Gesicht beschattet, aber dafür war es jetzt zu spät.
    Mein Plan hatte einen Haken. Wenn der Hausmeister frühmorgens die gesprayte Schrift entdeckte, würde er sofort die Fassadenreinigung der Stadt anrufen. Und die würde umgehend herkommen und alles säubern, und noch bevor die ersten Schüler eintrafen, wäre alles weg.
    Ich drehte den Kopf, studierte die Fassade. Es gab eine andere Möglichkeit.
    Mit schrägen, zögernden Schritten näherte ich mich dem Schuleingang. Ich wollte nicht an meinem Gangstil wiedererkannt werden. Kurz packte ich die Klinke. Geschlossen. Sollte ich eine Scheibe einschlagen? Aber das wäre zu hören gewesen, da konnte jemand die Polizei rufen.
    Unschlüssig versteckte ich mich im Schatten des Eingangs und suchte nach einer Lösung. Auf der Straße fuhr ab und zu ein Auto vorbei, die Scheinwerfer fegten über den Schulhof. Die Birken hatten fast alle Blätter verloren, sie standen wie schwarze Skelette in der Dunkelheit da. Die Luft war feucht und diesig, um die Straßenlaternen hatten sich glänzende Lichtkegel gebildet.
    Plötzlich öffnete sich die Tür, und einige sich miteinander unterhaltende Damen kamen heraus. Frauen mittleren Alters, sie trugen irgendwelche Bücher unter dem Arm. Sie scherzten miteinander, sahen fröhlich aus. Ein Abendkurs? Vielleicht ein Studierkreis? Bald kamen noch welche. Sie knöpften ihre Mäntel gegen die Herbstkälte zu, nahmen lautstark und fröhlich voneinander Abschied und gingen zum Parkplatz. Diskret huschte ich näher und wartete. Jetzt kamen ein paar Nachzügler. Bevor die Tür hinter ihnen wieder ins Schloss fiel, sprintete ich auf leisen Gummisohlen vor. Gerade als der Schlosshaken einrasten wollte, bekam ich die Klinke zu fassen.
    Ich war drinnen. Niemand schien mich bemerkt zu haben. Ein paar Stimmen näherten sich, schnell sprang ich in die Schülertoilette. In der Dunkelheit tastete ich mich zu einem der Verschläge vor und spürte, wie mein Puls pochte. Ich ließ zehn Minuten verstreichen, bevor ich vorsichtig hinausschaute. Der Flur lag still und verlassen da. Schnell lief ich lautlos zwei Treppen hinauf. Hier war ich richtig. Über die gesamte Vorderfront der Schule lief ein Flur mit großen Fenstern entlang. Ich öffnete das nächste und beugte mich hinaus. Unter der Fensterreihe dehnte sich die Wand aus, eine dunkle, einladende, endlose Ziegelsteinfläche. Das müsste klappen, wenn man sich hinausbeugte. Wenn man sich an der Fensterbank festhielt und sich jeweils in die gewünschte Richtung streckte. Es kribbelte im Bauch, als ich den Asphalt viele Meter tiefer entdeckte. Ein einziger Fehlgriff, und ich wäre ein feuchter Klecks da unten. Daran durfte ich gar nicht denken.
    Ich holte die Spraydose heraus und schüttelte sie. Die kleine Metallkugel schlug gereizt gegen die Metallhülle.
    Hinterher, im Bett.
    Wasser. Ja, Wasser.
    Man könnte sich einen See vorstellen. Nein,

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