Erschiess die Apfelsine
benutzt hat. Und deshalb ist August Strindberg der größte schwedische Dichter, wenn er etwas schrieb, konnte er alle möglichen Worte dafür benutzen …«
Rettet mich, dachte ich verzweifelt. Holt mich hier raus.
Genau in dem Moment knackte es im Lautsprecher.
»An alle Klassen. Hier spricht die Schulleitung. Wir müssen die Schule räumen. Sämtliche Schüler und Lehrer verlassen augenblicklich das Schulgebäude. Ich wiederhole, die Schule wird sofort geräumt!«
Die Schüler sahen sich verwundert an. Dann Greger.
Der zog ein Blatt aus seinem Lehrerordner heraus und las vor:
»Sammelplatz ist der Schulparkplatz. Sicher nur eine Übung, wir gehen zu unserem markierten Feld, dann kann ich euch dort abhaken.«
Alle standen ruhig auf. Eine willkommene Unterbrechung in der Schultristesse. Auf dem Schulhof sammelten sich bereits einzelne Klassen. Die Stimmung war gut, teilweise geradezu albern. In dem Moment kam der Hausmeister angerannt.
»Zurück!«, schrie er. »Weiter weg!«
»Aber das ist doch nur eine Übung …«
»Das ist keine Übung. Geht weiter zurück. Da hat irgend so ein Wahnsinniger angerufen und gedroht, die Schule in die Luft zu sprengen.«
Ein Raunen ging durch die Menge. Alle zogen sich zurück, während gleichzeitig Hunderte von Handys aufgeregter Jugendlicher aus den Taschen gezogen wurden. In kürzester Zeit würde die Stadt davon erfahren.
KAPHITLER 14
Die Fernsehscheibe glänzte. Die Schulleiterin sah den Reporter an.
»Wir nehmen das Ganze äußerst ernst.«
»Was glauben Sie? Wer steckt hinter der Drohung?«
»Der Anruf war anonym. Aber wir haben in letzter Zeit beunruhigende Tendenzen an unserer Schule feststellen müssen. Schüler haben Flugblätter verbreitet, auf denen gedroht wird, das Schulgebäude zu sprengen.«
»Flugblätter?«
»Ja, Zettel. Wir von der Schulleitung haben versucht, sie zu entfernen, aber es wurden immer neue aufgehängt. Das Ganze scheint organisiert zu sein. Und heute Morgen war die gesamte Schulwand angesprüht.«
Ein Bild des Spraytextes wurde eingeblendet. Bombardier den Dreck …
»Wer steckt Ihrer Meinung nach dahinter?«
»Eine Art Komplott unter den Schülern. Sie scheinen gut organisiert zu sein, aber ihre Motive kenne ich nicht.«
»Wie geht es jetzt mit dem Unterricht weiter?«
»Die Polizei hat die Schule durchsucht, ohne etwas zu finden, deshalb wird der Unterricht morgen früh ganz normal wieder stattfinden.«
Die Schulleiterin hatte ein glänzendes Gesicht, fettige Haut, ihr Blick war angespannt und gestresst. Das Bild wechselte ins lokale Fernsehstudio zu der blondierten Nachrichtensprecherin.
»Bei einem Verkehrsunfall auf der Reichsstraße wurde heute Vormittag ein sechzehnjähriger Junge angefahren. Er wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht …«
Ich rief Mama zu, die aus der Küche hereinkam:
»Wie ist es mit dem Jungen gelaufen?«
»Schlecht«, antwortete sie, »er liegt auf der IVA.«
»IVA?«
»Der Intensivstation. Was haben sie über deine Schule gesagt?«
»Wieso?«
»Na, eben im Fernsehen, was von Bomben, oder?«
An der Küchenwand hing das Bild mit Michel. Mama brauchte nur die Hand auszustrecken und die Rückfront ein wenig lösen, dann würde sie das Papier finden:
Bombardier den Dreck. Bombardier den ganzen Dreck.
Mit meiner Handschrift.
»Ich glaube, das war ein Gedicht. Jemand hat ein Gedicht ans Schwarze Brett gepinnt.«
»Aber mit Drohungen? Also ein Drohbrief?«
»Nein, die Schulleiterin muss das falsch verstanden haben.«
»Aber jemand hat doch in der Schule angerufen und gedroht. Das war bestimmt derselbe Schüler. Einer, dem es nicht gut geht.«
»Hm …«
Mama schwieg eine Weile. Es war zu merken, dass sie noch mehr auf dem Herzen hatte.
»Du«, fing sie dann an. »Was würdest du davon halten …«
Sie wand sich. Nahm einen Apfel aus der Obstschale, drehte ihn rundherum, betrachtete ihn von allen Seiten.
»Ja, es ist nämlich so, dass Howard und ich …«
Der 48iger, dachte ich.
»Wir haben darüber gesprochen, ob wir vielleicht … zusammenziehen.«
Ich sagte nichts.
»Natürlich nicht sofort. Aber vielleicht bald. Und dann ist ja die Frage … Ich meine, du wirst ja groß. Vielleicht ist es an der Zeit für dich, etwas Eigenes zu haben?«
Ich guckte sie an. Wenn man die Augen zusammenkniff, wurden ihre Ränder unscharf.
»Ich selbst bin mit sechzehn von zu Hause ausgezogen«, sagte sie, »und das war nicht ein Tag zu früh. Aber sag doch was, Junge.
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