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Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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habe.«
    »Hey!«
    Wir alle zuckten bei Strattons plötzlichem Auftauchen zusammen. Er schlürfte den Schaum von seinem Bierglas und sah uns an. »Und was für ein entzückendes kleines Ding ihr da habt.«
    »Sie ist entzückend«, bestätigte Incy und Tracy lächelte erfreut. »Das findet Nastasja allerdings nicht. Sie findet Tracy widerlich und abstoßend.«
    Tracy sah mich vorwurfsvoll an.
    »Ich sagte, was hier vorgeht, ist widerlich und abstoßend«, stellte ich klar. »Nicht Tracy als Person.«
    »Nein«, widersprach Incy. »Du hast Tracy verrückt und selbstmordgefährdet genannt.«
    Wieder ein böser Blick von Tracy.
    Stratton machte ein nachdenkliches Gesicht, als würde er überlegen, ob man »widerlich und abstoßend« vielleicht als etwas Gutes ansehen konnte. Schließlich hatte er eine Ent;scheidung getroffen und schaute auf. »Nee.« Er trank vollkommen ungerührt sein Bier.
    »Du übertreibst, Nas«, sagte Incy, der immer noch versuchte, mich zu überreden. »Diese Puritaner haben dir eine Gehirnwäsche verpasst.« Er lachte. »Vertrau mir - das hier ist es, was du brauchst. Versuch es doch wenigstens. Wie Bungee-Jumping. Du wirst schnell Fortschritte machen.« Er meinte Fortschritte in der Magie. Wo war er hineingeraten? Und wie lange schon? Seit London? Oder früher?
    Irgendwie hatte ich vor zwei Monaten mit dem dumpfen Instinkt eines Tieres die Flucht ergriffen und versucht, einen sicheren Ort zu finden. Aber es war zu schwer gewesen.
    Meine Unfähigkeit und meine Dunkelheit hatten mir Angst gemacht. Hier wäre meine aufblühende Dunkelheit ein Vorteil, eine Stärke. Doch jetzt wusste ich schon zu viel, um sie zuzulassen.
    Ich stand auf und fühlte mich, als würde meine Haut platzen. Mein Herz war schon gebrochen und lag jetzt in scharfkantigen Splittern in meiner Magengrube. Ich kam mir ...
    vernichtet vor. Wenn ich bei meiner Ankunft bei River nur eine leere Hülle gewesen war, dann war ich jetzt ein grotesker Klumpen von diesem Schaumstoff, den Floristen für Blumengestecke benutzen und der sich auflöst, wenn man ihn nur ein bisschen drückt.
    »Ich muss gehen«, sagte ich zittrig. Ich schob meine Arme in den Jil-Sander-Kaschmirmantel. »Wir sehen uns dann nachher.«
    Sie sahen mich an, als hätte ich Altgriechisch gesprochen, sagten aber nichts, als ich mich abwandte und die Tür an;steuerte. Cicely hatte ich seit unserer Ankunft nicht mehr gesehen. Vielleicht war sie in einem der Privaträume im hinteren Teil. Beim Hinausgehen tauschte ich einen Blick mit Boz und Katy. Natürlich hatte ich keinen Wagen, keine Möglichkeit, aus diesem Höllenloch zu verschwinden. Ich holte mein Handy heraus und tippte mit zitternden Fingern eine Suche nach Taxifirmen ein. Auf der Treppe wurde meine Seele mit jeder Stufe leichter, aber ich ließ mich davon nicht täuschen: Ich hatte kein Heim, keinen Ort, an den ich gehenkonnte. Genau genommen hatte ich auch kein Ich.
    »Nastasja! Warte! Warte!«
    Ich drehte mich um und sah Incy die Treppe herunterrennen. »Ich muss gehen, Incy«, sagte ich. »Das hier ist nichts für mich.«
    Eine Sekunde lang flackerte Angst in seinen Augen auf wie ein Lagerfeuer; dann war sie wieder weg und ich war nicht sicher, ob ich sie wirklich gesehen hatte.
    »Nas.« Er packte den Kragen meines Mantels und beugte sich so weit vor, dass sein Gesicht dicht vor meinem war. Sofort schrillten in mir die Alarmglocken, aber ich versuchte, mich unbeeindruckt zu geben. Diese ganze Sache war ein solcher Fehler gewesen. Ich hatte es total verbockt, aber das war okay. Incy war nicht daran interessiert, dass ich ihm half oder ihn rettete. Er hatte das nie von mir gewollt. »Nas«, sagte er wieder, ganz sanft. »Es tut mir leid. Ich dachte wirklich, dass es hier fantastisch wäre und du es lieben würdest.«

    Und was sagte das über mich? Urrgh.
    »Aber wenn du nicht willst, ist das in Ordnung«, fuhr er fort. »Wir müssen nicht bleiben. Boz und Katy wollen auch gehen. Ihr drei habt euch in ein paar echte Spaßbremsen verwandelt.« Er klang ein bisschen verbittert, zwang sich aber zum Lachen. »Stratton und Cicely wollen bleiben. Sie verstehen es.«
    Er bremste sich schnell, weil ihm auffiel, dass er sich nur tiefer reinritt. Er schüttelte den Kopf, strich meinen Kragen glatt und zupfte meinen Schal zurecht.
    »Ich verstehe es auch, Incy«, sagte ich. »Ich finde es nur einfach widerlich. Es ist Vergewaltigung. Diese Idioten da drinnen

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