Ersehnt
wissen nicht, was sie tun und wie gefährlich es ist. Ihr nutzt sie aus.« Ich sah Incy ernst an. »Das bist nicht du, Incy. Das sind nicht wir.«
Sein hübsches Gesicht verzog sich ganz kurz zu einem grausamen Grinsen, das mich bis ans Geländer zurückweichen ließ. Dann kamen Boz und Katy die Treppe herunter und er riss sich zusammen.
»Ja«, sagte Katy erleichtert. »Lasst uns woanders hingehen.« »Die Bars haben schon geschlossen«, sagte Boz und merkte erst da, dass zwischen mir und Incy etwas ablief.
Incy lächelte. »Stimmt. Aber das macht nichts. Wir können auch was anderes machen. Okay, Nas? Nas ist wieder da!« Er legte mir den Arm um die Schultern und küsste mich auf die Wange. »Wieder da für immer! Jetzt sind es wieder du und ich, Babe! Du wirst sehen. Noch ein paar Tage und wir stehen uns wieder so nah wie Brot und Butter.«
Trostlosigkeit hüllte mich ein wie eine Steppdecke.
Draußen war es immer noch so kalt, dass es einem den Atem nahm. Wir vier eilten zu Incys Auto, das dank seines Zaubers nicht angerührt worden war. Ich warf einen Blick zum Himmel, dessen Sterne fast in den Lichtern der Stadt untergingen, und auf die streifigen Wolken, die rasch von Südwesten nach Nordosten zogen. Ich konnte genug erkennen, um abzuschätzen, dass es ungefähr zwei Uhr nachts sein musste.
Ich fühlte mich sehr, sehr alt.
Ein stechendes Gefühl von Verlust und Bedauern überfiel mich. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass ich alles dafür geben würde, nicht hier zu sein und morgen früh in meinem harten, schmalen Bett in River's Edge aufzuwachen. Ich hätte jetzt nur zu gern losgeschluchzt. Wieso war ich wieder davongelaufen? Ach, klar. Stimmt ja. Weil ich immer, ohne Ausnahme, alles verbocke. Ich stoße mir grundsätzlich selbst ein Messer in den Rücken. Weil ich Angst davor habe, glücklich zu sein, weil niemand ewig glücklich sein kann und ich den unvermeidlichen Verlust nicht ertragen kann.
Von meinem Elend wie betäubt stieg ich in Incys eiskaltes Auto. Boz und Katy setzten sich auf den Rücksitz. Wir schlugen die Türen zu und Incy startete den Motor. Ich starrte aus dem Fenster und bildete mir ein, dass ich Rivers Gesicht vor mir sah. Ihre Augen voller Weisheit, Liebe und Nachgiebigkeit. Voller Verständnis. Das alles hatte sie mir angeboten.
Und ich hatte es zurückgewiesen - nicht nur einmal, sondern gleich mehrmals.
Und Reyn. Ich hatte ihn weggestoßen, obwohl ich mich insgeheim nach ihm verzehrte. Trotz seiner Vergangenheit bemühte er sich so sehr, ein guter Mensch zu sein. Und ich war hier bei Incy, wie Brot und Butter. Bei diesem Gedanken drehte sich mir der Magen um und der Alkohol darin verhärtete sich zu einem schmerzhaften Klumpen. Incy hatte eine schlimme Vergangenheit und war eindeutig nicht daran interessiert, sich zum Guten zu wandeln. Wieso hatte ich das nicht gewusst? Vielleicht hatte es sich im Laufe der Jahre soschleichend entwickelt, dass ich es einfach ignorieren konnte. Vielleicht war es aber auch auf einmal geschehen, in den letzten zwei Monaten. Ich hoffte, dass ich mit Boz darüber reden konnte, sobald Incy das nächste Mal wirklich außer Hörweite war.
Ich lehnte den Kopf ans kalte Fenster. Ich wusste, dass ich mir ein neues Leben schaffen musste. Und dieser Gedanke deprimierte mich mehr, als ich es je für möglich gehalten hatte.
»Nasty!« Incys Stimme war eindringlich und riss mich aus meinen Gedanken.
Mein Kopf fuhr hoch. »Was?« Ich sah mich um und stellte fest, dass wir Winchley verließen. Incy starrte mich ein wenig gereizt an.
»Ich habe dich gefragt, wieso du findest, dass das, was bei Miss Edna geschieht, Vergewaltigung ist. Die Leute dort bieten sich doch an. Wenn sie Ja sagen, ist es doch keine Vergewaltigung, oder?«
»Ist es doch«, sagte ich.
Ich wollte nur noch zurück ins Hotel und mich unter der Dusche auf dem Boden zusammenrollen und ein paar Tage lang weinen, während das warme Wasser auf mich herabrauschte. »Sie wissen nicht, was sie da tun.«
»Manche von ihnen wissen es wirklich nicht, da muss ich dir recht geben«, sagte Incy sehr vernünftig. »Aber die anderen verstehen ganz genau, was es bedeutet, und sie wollen es trotzdem. Es ist mit Hypnose zu vergleichen. Wenn du mit ihnen verbunden bist, kannst du ihnen ein Gefühl des Friedens und des Wohlbefindens vermitteln. Danach ist es für sie, als wären sie high.«
»Es kann sie umbringen«, sagte ich.
»Das ist noch
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