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Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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etwas in den letzten Monaten zu Gesicht bekommen. Wir waren total großzügig und teilten mit allen. Wir gingen so verschwenderisch mit der Schokolade um, als hätten wir jeden Tag welche, und schenkten die Eier Felipes Frau, die sie davontrug, als wären sie aus purem Gold. Ich erinnere mich an den wundervollen Duft einer Orange, in deren Schale ich meine rot lackierten Fingernägel grub. Der Satt spritzte mir an die Wange. Ich lachte und Boz leckte sie ab. Ich presste etwas Saft in den grässlichen,verwässerten Whisky, den Felipe ausschenkte, dann riss ich die Orangeauseinander und biss hinein. Nichts hat je so gut geschmeckt, weder vorher noch nachher.
    Es war grandios gewesen, eine unserer liebsten Erinnerungen, über die wir noch lange lachen konnten. Wir haben uns noch eine Ewigkeit zu diesem gelungenen Coup gratuliert.
    ***
    Jetzt, im Feuer, sah ich, was ich damals nicht sah, woran ich keinen Gedanken verschwendet hatte: Wie die Waisen den Laster kommen hörten, wie sie durch die Fenster starrten, von denen viele zerbrochen und vernagelt waren. Wie die Nonnen hin und her liefen und den Kindern schließlich erlaubten hinauszulaufen und sich le militaire anzusehen.
    Diese Kinder, deren Eltern vermutlich bei einem der vielen Hundert Bombenangriffe ums Leben gekommen waren. Sie würden hinausrennen zum Lastwagen, den Fahrer bestürmen und angesichts des großen roten Kreuzes auf der Plane ausgelassen jubeln. Der Fahrer würde nach hinten gehen und sich vorkommen wie der Weihnachtsmann persönlich. Er würde ihre zerrissenen Pullover sehen und die dünnen Beine, die aus den zu kurzen Hosen herausragten. Dann würde er die olivgrüne Plane aufschlagen und ... nichts. Ein leerer Laster.Die Waisen würden die Welt nicht mehr verstehen. Am Boden zerstört sein. Es wäre viel besser gewesen, wenn der Laster nie gekommen wäre - sie hätten gar nicht erst auf Geschenke gehofft. Aber er war gekommen, ihre Hoffnung war aufgeflammt wie das Feuer vor mir und dann war sie grausam zunichtegemacht worden.
    Von uns. Von mir. Von meiner Dunkelheit.
    »Dunkelheit, verlass mich«, flehte ich leise. »Dunkelheit, verlass mich.«
    Ich hörte jemanden husten und blinzelte, wieder zurück im Hier und Jetzt.
    »Was um alles in der Welt hast du entsorgt?«, murmelte Rachel, aber River sagte: »Charles?« und der Zirkel ging weiter, als wäre nichts gewesen. Ich trat zurück, fing an zu zittern und schlang die Arme um mich. Hatte ich nur einen Moment dagestanden oder minutenlang? Und wie viele Erinnerungen wie diese hatte ich? Von Ereignissen, die zu ihrer Zeit genial, wundervoll und amüsant gewesen waren - die ich jetzt aber total abartig und widerwärtig fand? Viele. So viele.
    In meiner Kehle stieg etwas Scharfes, Bitteres auf und ich hielt mir schnell die Hand vor den Mund und schluckte kräftig. Neben mir blies Charles auf seine Hände und das Feuer hüpfte, als wäre sein Wunsch nur ein mickriges Häppchen verglichen mit dem, was ich ihm zugemutet hatte.
    Mein Gesicht war heiß und ich fing an zu schwitzen; ich spürte neugierige Blicke auf mir. Also konzentrierte ich mich auf einen Punkt unten im Feuer und schaute nicht mehr auf. Nach Charles war Solis an der Reihe und das Feuer entfachte etwas Energie, um das zu verschlingen, was er hineingeworfen hatte. Solis, dann Daisuke, dann Reyn. Ich betrachtete das Feuer, als er dran war; die Flammen schlugen mittelhoch. Was hatte er loswerden wollen? Den Drang, andere Menschen 'zu töten? Das Bedürfnis, Dörfer zu überfallen? SeinVerlangen nach mir?
    Dann waren wir wieder bei River angekommen, die hellwach und klar aussah. »Gut gemacht, ihr alle. Was für ein wundervoller Zirkel. Lasst ihn uns zusammen aufheben.« Wir fassten uns wieder an den Händen. Das war mir peinlich, weil meine Hände so schwitzig waren und Rachel und Charles es fühlen konnten. Wir zwölf streckten einfach die Arme gen Himmel und verabschiedeten uns.
    Ich spürte, wie die Magie verblasste; spürte, wie sie in die Bäume, den Himmel und den Boden davonglitt. Auch dieses Gefühl von Macht und Stärke ließ nach und ich wurde ganz panisch, weil ich Angst davor hatte,ohne es wieder ganz normal und unbedeutend zu sein.
    Ein Arm legte sich sanft um meine Schultern. »Alles in Ordnung?«, fragte River.
    Ich machte einen schnellen Selbst-Check, ob ich kurz davorstand, mich zu übergeben, dann nickte ich. »Ich glaube, diesmal muss ich nicht

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