Ersehnt
stand. Beim Dessert -
das zum Niederknien war - stellte ich fest, dass ich das alles bisher nie zu würdigen gewusst hatte. Ich hatte es als selbstverständlich angesehen, was mich, das muss ich zugeben, in einen eher ungesunden Teil meines Lebens gesteuert hat.
Aber jetzt wusste ich mehr über Ausgewogenheit. Diesmal würde alles einfach fantastisch werden.
Abgesehen von deiner Dunkelheit. Gott, wie ich mein Unterbewusstsein hasse.
Nach dem Essen waren wir mit Boz in einer Kunstgalerie im angesagten SoWa-Distrikt verabredet. Incy winkte ein Taxi heran und ich versuchte, meine sofort aufflammende Angst unter Kontrolle zu bringen, an der Incy und ein Taxifahrer schuld waren.
Als Katy einstieg, nahm Incy meine Hand und küsste sie.
»Was ich getan habe, war falsch«, sagte er leise und sah mir eindringlich in die Augen. »Es war falsch und das hast du mir gezeigt. Du hast nichts zu befürchten.«
Es war schon immer sinnlos, so zu tun, als würde man nicht verstehen, worauf Incy hinauswollte. Er wusste, dass ich wusste, wovon er sprach. Wir verstanden einander immer, ob mit oder ohne Worte.
Ich nickte und stieg ins Taxi, erleichtert und auch ein bisschen gerührt.
Die Galerie war nur zehn Minuten entfernt und wir kamen sicher dort an, ohne dass meine Dunkelheit von allen Besitz ergriff und sie veranlasste, irgendwelche Gräueltaten zu begehen. Jippieh, ein kleiner Hoffnungsschimmer!
Wir stiegen aus und fanden uns vor einer gigantischen Fensterfront wieder, hinter der eine Galerie voller Licht, ein Haufen Leute und ein Haufen Kunst zu sehen waren, darunter auch etwas von Lucien Freud, dessen Arbeiten ich schon immer bewundert hatte. Ein paar Leute drehten sich um, als wir hereinkamen, aber niemand zeigte auf meine Haare oder kicherte hinter vorgehaltener Hand. Bis jetzt lief der Abend echt prima.
»Oh,' da ist Boz!« Katy schnappte sich ein Glas Rotwein vom Tahlert eines Kellners und steuerte durch die Menschenmenge auf Boz zu, der von einer Traube von Bewunderern umgeben war.
»Wer ist das Mädchen, mit dem er da spricht?«, fragte ich Incy, als er mir ein Glas Champagner brachte. »Sie kommt mir irgendwie bekannt vor.«
Incy warf einen Blick hinüber. »Auf der Titelseite von >Boston For You< war gestern ein Foto von ihr, wie sie von einem Balkon reihert.«
»Ach, die ist das. Die Erbin.«
»Wieso sollte Boz sonst mit ihr reden?« Innocencio grinste und ich nickte. Wohl wahr.
»Er sollte lernen, sein Geld so zu investieren, dass es länger reicht«, sagte ich. »Irgendwann wird kein fremdes Vermögen mehr da sein, das er auf den Kopf hauen kann.«
»Bisher scheint kein Ende abzusehen zu sein«, stellte Incy fest. »Wollen wir uns unter das Volk begeben?«
»Wir wollen.«
Reporter von Klatschzeitschriften schossen ein Bild nach dem anderen. Es war eine schier unglaubliche Anzahl gut aussehender Menschen in dieser Galerie. Ich war sicher, dass die meisten von ihnen irgendwie berühmt waren, aber da ich nicht wusste, wer in Boston zu den oberen Zehntausend ge;hörte, erkannte ich niemanden außer der jungen Frau, die ihren Mageninhalt über den Balkon entleert hatte.
Ich war sicher gewesen, dass ich mich mit meinen lollifarbenen Haaren total blamieren würde, aber hier waren so viele extreme Frisuren, dass ich gar nicht auffiel. Ein großes schwarzes Mädchen mit perfekter Figur trug einen kurzen schneeweißen Afrolook. Mit ihrem Aussehen hätte sie modeln können und ich musste ganz kurz an Brynne denken.
Eine andere Amazone hatte einen geometrisch präzisen Haarschnitt, der oben dunkelblau war und darunter schwarz. Irgendjemand machte mir sogar ein Kompliment zu meinen Haaren, was schon seit ... Jahrzehnten, schätze ich, nicht mehr vorgekommen war.
»Du siehst wirklich sensationell aus, Darling«, sagte Incy über meine Schulter.
Ich drehte mich um und er bot mir einen winzigen Porzellanteller mit noch winzigeren Häppchen an. Da wir gerade vom Abendessen kamen, beschränkte ich mich auf ein paar Teller voll. Ich sah, wie Incy lächelte, als ich mir das dritte oder vierte puppengroße Eclair in den Mund warf. Klar, ich versteh das schon, diese ganze Sache mit den edlen Häppchen. Aber ich hab auch nichts gegen ein richtig großes, fettes Eclair, das muss hier mal gesagt werden.
»Was?«, fragte ich.
»Du hast deinen Appetit wieder«, sagte er. »Dein Urlaub hat dir gutgetan. «
Ich lächelte und nickte. War das alles gewesen, in
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