Ersehnt
Allerdings stimmte das nicht.
»Nicht ganz. Das Problem bin nämlich ich. Mit mir lässt sich’s, ehrlich gesagt, nicht so leicht zusammenwohnen. Vielleicht … also vielleicht schnarche ich ja nicht, aber ich leide unter Albträumen. Durch die könntest du … nein, durch die wirst du wach werden. Und ein paar Probleme mit Angstattacken habe ich auch. Ich kann sie gewöhnlich ganz gut verbergen, aber wenn wir zusammenwohnen, dann wirst du mich irgendwann auch in meinem allerschlimmsten Zustand erleben. Ich … ich bin einfach nicht … mit mir und dir in einer Wohnung … das wird nicht funktionieren. Glaub mir. Deshalb breche ich mal besser wieder auf.«
So, jetzt war es raus. Den Rest konnte er zwischen den Zeilen lesen.
Tripp setzte sich auf und schwang die Füße auf den Boden. Dann beugte er sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und sah mich an. Ich schluckte nervös, denn ich wollte ihm keine Fragen beantworten. Wenn ich mich dadurch nämlich an zu vieles erinnern musste, würde er nur zu schnell merken, wie verrückt ich war. Ich fing an, im Geiste Schäfchen zu zählen. Das half dabei, andere Gedanken abzuwehren.
»Wenn das der Fall ist, dann solltest du auf keinen Fall allein sein. Wie sollst du da mit dem ganzen Scheiß denn fertigwerden? Das geht doch nicht.« Er presste die Lippen fest zusammen. Man merkte ihm an, dass er sich seine nächsten Worte sorgfältig überlegte. »Ich habe meine eigenen Dämonen. Die ich allerdings ganz gut in Schach halten kann. Wir zwei könnten ganz gut zusammenpassen. Beide wollen wir uns nicht ewig an einem Ort aufhalten, wollen die Welt entdecken. Ich glaube, wir könnten richtig gute Freunde sein. Deshalb habe ich dir auch die Schlüssel zu meiner Wohnung gegeben und dich hergeschickt. Wer sagt, dass wir auch in Zukunft allein reisen müssen? Ich habe das ständige Alleinsein sowieso satt. Wieso machen wir daraus nicht einfach einen Probelauf? Wir beide wohnen hier ein paar Wochen zusammen und schauen, ob wir’s miteinander aushalten.«
Ich dachte über seine Worte nach. Darauf zu antworten war nicht einfach. Mit so einem Vorschlag hatte ich nicht gerechnet, und ich wusste auch nicht genau, was ich davon halten sollte. Er wollte mit mir zusammen herumreisen? Wirkte das denn nicht zu vertraulich? Wir kannten einander doch kaum. Andererseits, wenn wir uns ein paar Wochen die Wohnung geteilt hatten, würden wir uns viel besser kennen, und er wüsste bis dahin ganz genau, dass er mit meinem ganzen Scheiß nicht klarkam.
»Okay, einverstanden«, sagte ich kurz entschlossen.
Auf seinem Gesicht breitete sich langsam ein Lächeln aus. Das würde ihm bald vergehen. Möglicherweise schon heute Nacht.
»Noch eine Warnung. Jace freut sich so, dass ich wieder da bin. Er wird heute Abend herkommen und paar Kumpel mitbringen. Ich hoffe, das ist okay.«
Aha, in Zukunft würde es hier wesentlich geselliger zugehen. Darauf musste ich mich einstellen.
E igentlich war ich nicht besonders scharf auf eine »Willkommen-daheim,–Tripp«-Party. Eine Schande eigentlich. Ich mochte Tripp. Er war ein guter Freund. Doch mein Groll darüber, dass er sich nun mit Della eine Wohnung teilen konnte, überschattete das.
Trotzdem würde ich hingehen, da ich auf diese Art vielleicht die Gelegenheit bekam, mit Della darüber zu reden. Sie sollte nicht das Gefühl haben, sie müsste bleiben, wenn sie sich dort nicht wohlfühlte. Wenn sie es wollte, konnte ich ihr jederzeit ein möbliertes Apartment organisieren. Sie musste nicht weiter bei Tripp wohnen.
Ich klopfte einmal und ging dann rein. Bei dem Lärm hätte mich sowieso niemand gehört.
Die Wohnung war gerammelt voll mit Leuten. Ich hielt nach Della Ausschau.
»Hey, Woods, wird aber auch Zeit, dass du dich blicken lässt!«, rief mir Tripp über die Musik hinweg zu, die durch das Lautsprechersystem der Wohnung dröhnte. Er saß mit Jace, Bethy, Thad und irgendeiner Unbekannten, die es sich auf Thads Schoß bequem gemacht hatte, an der Bar. Della war nirgends zu sehen. Verdammt!
»Na, da bist du ja wieder!«, sagte ich und lächelte gezwungen.
»Nur zu Besuch. Kann nicht lang bleiben. Sonst versucht mein Dad gleich wieder, mich in einen Smoking zu stecken«, witzelte er. Mir blieb das Lachen allerdings im Hals stecken. Schließlich wusste ich, wie es war, wenn die Klauen des Vaters sich zu fest um einen schlossen.
»Ich versuche gerade, ihn zum Bleiben zu überreden. Aber er hat sich in den Kopf gesetzt, sich demnächst schon
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