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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Lärche hindurchfegten und dann zurück auf den eigentlichen Weg schlidderten.
    Durch die zerbrochene und trübe Windschutzscheibe konnte sie den Schatten, der direkt vor ihnen auf dem Weg auftauchte, erst sehen, als er kaum mehr als einen Meter von der vorderen Stoßstange entfernt war. Sie trat mit aller Macht auf die Bremse, kämpfte um die Kontrolle des davonrutschenden Fahrzeugs, warf das Lenkrad herum und hörte mit einem gequälten Schrei das durchdringende Krachen, als sie gegen einen Baum knallten. Sie hatte den Sicherheitsgurt nicht angelegt, und mit einem Ruck wurde sie nach vorn gegen die Windschutzscheibe geschleudert.
    Es dauerte eine Weile, bis sie sich aufsetzte und sich vorsichtig befühlte. Auf der Stirn hatte sie eine Beule von der Größe eines Eis, und sie fühlte sich, als habe ihr ein Pferd in die Rippen getreten, doch sie war am Leben.
    Die Scheinwerfer waren im schiefen Winkel nach oben in die Luft gerichtet. Vorne klebten sie an einem Baum, mit den Hinterrädern in einer Art Grube. Eins wußte sie sofort: Es würde unmöglich sein, den Wagen da rauszubekommen. »Verdammt.« Sie schlug mit der Handfläche auf das Lenkrad. »Verdammt, verdammt, verdammt! Greg? Bist du okay?« Sie drehte ihren schmerzenden Körper mühsam zu ihm um. Er war durch den Aufprall auf den Boden geworfen worden und lag da zusammengerollt unterhalb des Sitzes, ohne sich zu bewegen. »O mein Gott!« Steif tastete sie nach dem Türgriff und versuchte, die Tür zu öffnen. Sie war offenbar verklemmt. Sie spähte wieder hinaus. Was war das gewesen, das sie da plötzlich vor sich gesehen hatte? Sie erschauderte. Was immer es gewesen war, es war verschwunden. Wahrscheinlich war es ein Hirngespinst ihrer überreizten Phantasie, denn der Wald war jetzt wieder menschenleer wie zuvor.
    »Greg. Greg? Bist du okay?« Sie kämpfte mit dem Griff. »Greg. Hörst du mich?«
    Es hatte keinen Sinn. Sie konnte die Tür nicht öffnen. Sie warf einen Blick hinüber zur Tür auf der anderen Seite. Sie sah aus, als wäre sie leichter zu öffnen. Sie kletterte hinüber auf den Beifahrersitz und zog am Griff. Nach einem Moment sprang die Tür auf, und es gelang Kate, hinauszuklettern. Ein Blick an den Scheinwerfern vorbei zeigte ihr, daß der vordere Kotflügel eingebeult und der Kühler weggerissen war, und daß der Vorderreifen einen Platten hatte. »Verdammt!« Sie trat so fest sie konnte gegen den Reifen, dann drehte sie sich um und zerrte an der rückwärtigen Tür. Sie war abgeschlossen. Zitternd vor Panik kroch sie zurück auf den Vordersitz und streckte die Hand nach Greg aus. In der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht nicht sehen. »Greg? Greg, hörst du mich?«
    Sie hatte noch ihre kleine Taschenlampe. Sie schaltete sie an und leuchtete nach Greg. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, den Körper zusammengekrümmt, seine Arme darunter eingeklemmt als habe er nicht die geringste Anstrengung unternommen, sich zu retten, als er nach vorn geschleudert wurde. Es gelang ihr, über den Sitz zu klettern. Sie legte die Arme um ihn und richtete ihn auf dem Boden zwischen den Sitzen auf. Er stöhnte, aber die Augen schlug er nicht auf. Einen Moment lang blieb sie regungslos sitzen und blickte hinaus auf den grellen Strahl der Scheinwerfer, der den Wald erleuchtete. Bald würde die Batterie leer sein, und sie würden ausgehen. Sie warf einen erschöpften Blick auf ihre Armbanduhr. Es war nach zwei. Es half alles nichts. Sie würde ihn hierlassen und zu Fuß versuchen müssen, Hilfe zu holen.
    Mit zusammengebissenen Zähnen steckte sie die Lampe in die Tasche, wickelte Greg fester in die Decke, kurbelte das Fenster etwas herunter, damit Luft herein kam, und kletterte hinaus in die Kälte. »Ich komme zurück, so schnell ich kann. Halt durch«, flüsterte sie. Sie blickte den Weg rauf und runter und richtete den winzigen Strahl ihrer Lampe auf die Bäume. Die einzigen Geräusche, die sie hörte, waren das Tropfen des schmelzenden Schnees und ein gelegentliches Rascheln der Blätter.
    Es konnten nicht mehr als 500 Meter sein œ zu Fuß allerhöchstens zehn Minuten. Sie ging den Pfad hinauf und hielt sich in der Mitte zwischen den Reifenfurchen. Ihre Stiefel rutschten wiederholt in den eisigen Pfützen und im gefrorenen Schlamm aus. Ihre Schultern überlief vor Angst eine Gänsehaut. Sie war sich sicher, daß sie jeden Moment fühlen würde, wie eine Hand nach ihr griff und sie berührte. Immer wieder drehte sie sich im Gehen um, um in die

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