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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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drang durch den schwimmenden Schleier des Schmerzes zu ihm. Mit einer gewaltigen Anstrengung hob er den Kopf. Irgendwie gelang es ihm, sich zur Seite zu drehen und sich dann in eine sitzende Position hochzuziehen. Seine Zähne klapperten, und das Fieber schüttelte seinen Körper heftig durch, als er versuchte, den Blick auf Kate zu richten. »Ich bin hier. Ich bin ja hier.« Er klammerte sich an den Rücken der Lehne.
    Sie hatte die Augen noch immer auf die Windschutzscheibe gerichtet und drehte sich nicht um. »Schau.«
    Es war noch da œ ein riesiges, flatterndes weißes Etwas. Wieder sah sie das Auge, gelb, drohend, und dann einen bösartigen, gebogenen Schnabel. Kate zuckte zurück, hob den Arm, um sich zu schützen, schloß erschreckt die Augen, als mit einem schallenden Klirren ein heftiger Schlag auf die bereits zerbrochene Scheibe niederging.
    »Kate?« Gregs Stimme war verschwommen und undeutlich.
    »Es ist eine Möwe!« Sie schluchzte voller Angst und Erleichterung. »Es ist eine riesige Möwe.« Einen Augenblick lang lösten sich das Wirbeln flatternder Flügel und die grausamen Augen und der bösartige Schnabel voneinander und ergaben eine klar umrissene Gestalt, die Schwimmfüße suchten auf dem Kühler nach Halt, und dann war der Vogel verschwunden, hatte sich hoch in den Wind und außer Sicht katapultiert. Kate griff zum Zündschlüssel. Ihre Hände zitterten so sehr, daß sie kaum den Motor anlassen konnte. Sie packte den Schaltknüppel und stieß ihn nach vorn. Der Land Rover machte einen Ruck, dann starb der Motor.
    »Gut gemacht.« Es war fast ein Kichern, das vom Rücksitz kam.
    Kate ließ den Motor wieder an. Sie zwang sich, ruhig zu sein, trat die Kupplung und legte diesmal behutsamer den Rückwärtsgang ein. Der Land Rover fuhr rückwärts vom Meer weg, die Scheinwerfer strichen über den Strand. »Ich sehe sie nicht mehr. Keine Spur von ihr.«
    »Ich glaube nicht, daß wir wegen der Möwe einen Suchtrupp losschicken sollten. Verschwinden wir von hier. Siehst du? Versuch lieber, zurück zum Weg zu kommen.« Greg biß die Zähne zusammen, als ihn eine neue Woge des Schmerzes traf. Ohne den Schmerz weiter zu beachten, zerrte er an der Decke auf dem Sitz und zog sie sich über die Schultern. Das schummerige Halbdunkel im Wageninneren begann wieder, vor seinen Augen zu verschwimmen.
    »Also dann los.« Kate warf einen Blick zurück auf das Meer. Zog sich die Flut endlich zurück? Jedenfalls schien das Wasser weiter weg zu sein, und auch der Wind schien nachgelassen zu haben. Vorsichtig lenkte sie das Fahrzeug nach Süden. Sie hielt sich parallel zu den Wellen und machte sich auf den Weg zurück zum Cottage. Nach vorn gebückt, damit sie durch die zerbrochene Scheibe sehen konnte, beobachtete sie den Strand; sie konnte im Sand unmöglich sehen, wo es sicheren Untergrund gab. Sie konnte nur noch beten, als sie das Lenkrad herumwarf und auf die Dünen zufuhr. Im Scheinwerferlicht sah alles so anders aus; der Schnee und die Sandwirbel veränderten alle Orientierungspunkte und machten sie unkenntlich. Nichts war, wo es sein sollte. Sie spürte, wie der Land Rover plötzlich seitlich ausbrach, und klammerte sich an das Lenkrad. Einen Moment lang dachte sie, sie würden stehenbleiben, dann hatten die Räder wieder festen Halt, und es ging weiter. Ein paar Augenblicke später sah sie hinter den Dünen, noch ein Stück entfernt, die Lichter des Cottage. Sie murmelte ein kurzes Dankgebet und fuhr beharrlich auf die Lichter zu, schlängelte sich um die Dünen herum und folgte dem Pfad, den sie so oft zu Fuß entlanggegangen war, bis sie endlich spürte, wie das Fahrzeug sich auf das schneebedeckte Gras zog.
    Die Haustür stand immer noch offen, aber sie nahm keine Notiz davon. Sie hatte nicht das geringste Verlangen, noch einmal dort hineinzugehen, wo der arme Bill immer noch auf dem Sofa lag. Statt dessen steuerte sie den Weg zur Redall-Farm hoch. Sie fuhr jetzt schneller, und sie holperten über die Schlaglöcher und schlitterten durch eisumrandete Pfützen. Ein- oder zweimal zerbrachen unter den Reifen heruntergefallene Äste. Da bemerkte sie voller Entsetzen, daß der Zeiger der Benzinuhr im roten Bereich hin und her sprang. Sie konnte es nicht glauben. Es konnte ihnen jetzt doch nicht auch noch das Benzin ausgehen. Nicht hier. »Fahr weiter, du Scheißkiste. Fahr bloß weiter.« Sie kaute vor Wut auf ihrer Lippe herum, zog automatisch den Kopf ein, als sie unter den tief herunterhängenden Ästen einer

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