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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Flasche Brandy. Er schenkte in alle großzügig ein und gab eines der Gläser an Kate weiter, ein anderes an seine Mutter. Die Tatsache, daß sie nichts einwandte, als er selbst das dritte nahm, erfüllte ihn mit Sorge. Er nippte vorsichtig daran und fühlte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen, als sich das Feuer in seiner Kehle ausbreitete. »Wie holen wir Greg am besten? Könnten wir vielleicht Ihren Wagen dafür nehmen, Kate?«
    Kate schüttelte den Kopf. »Der Weg ist so gut wie unpassierbar. Darum bin ich ja ins Schleudern geraten.«
    »Glauben Sie, daß er irgendwie gehen kann? Sie sagten, es seien nur ein paar hundert Meter.«
    »Er ist verletzt, und er hat keine Kraft mehr. Wir müssen ihn tragen. Irgendwie.«
    »Ihn tragen?« Gregs Mutter war einen Moment lang fassungslos. Sie sah Patrick an und dann die erschöpfte Frau, die vor ihr auf dem Sofa saß. Sie waren zu dritt. Konnten sie es schaffen? Greg war groß und kräftig. Er wog bestimmt 170 Pfund. Aber es mußte gehen, oder sie mußten ihn die ganze Nacht da draußen lassen…
    »Wir tragen ihn«, sagte sie bestimmt. »Es ist ja nicht weit. Zu dritt schaffen wir das schon. Sowie Kate wieder zu Atem gekommen ist und diesen Brandy runtergegossen hat. Ich hole schon mal Stiefel und Handschuhe.«
    »Willst du es nicht Dad sagen?« fragte Patrick besorgt.
    »Dein Vater schläft. Wir sind wieder da, bevor er überhaupt gemerkt hat, daß wir weg waren«, sagte Diana bestimmt. »Wir brauchen ihn nicht zu wecken. Das Haus werden wir abschließen. Allie schläft auch. Hier sind sie in Sicherheit.«
    Kate nahm einen Schluck Brandy und schloß die Augen. Sie konnte spüren, wie die Wärme wieder durch ihre Adern strömte, aber mit der Wärme kam auch eine Welle totaler Erschöpfung. Wie sollte sie es schaffen, Greg mit zurück zum Farmhaus zu tragen? Mit größter Willensanstrengung zwang sie etwas Energie zurück in ihren Körper, als sie noch einen Schluck trank. Als sie die Augen aufmachte, sah Patrick sie an. »Alles in Ordnung?« fragte er leise. »Ma ist rausgegangen, um ihren Schal und so zu holen.«
    »Ich schaff‘s schon.« Kate versuchte zu lächeln. »Paddy, könnte ich mir ein paar warme Socken leihen? Ich hatte die halbe Nordsee in meinen Stiefeln, und meine Füße sind so durchgefroren, daß sie mich gar nicht mehr erkennen.«
    »Klar.« Er grinste. »Ich hole welche.«
    Sobald er gegangen war, ließ sie sich zurück in die Kissen fallen und schloß erneut die Augen. Plötzlich begann sich alles um sie zu drehen. Sie machte die Augen rasch wieder auf, als Patrick mit einem Paar dicker, wollener Fußballsocken und einem Handtuch wiederkam. »Sind die warm genug?«
    Kate nickte. Sie blickte an sich herunter, und ihr wurde bewußt, daß sie mit ihren schmutzigen Stiefeln im Wohnzimmer der Lindseys saß, die Füße vor sich auf dem Teppich ausgestreckt. Patrick folgte ihrem Blick. »Keine Sorge. Ma ist‘s egal.« Er grinste wieder. »Soll ich sie Ihnen ausziehen?«
    »Bist du so gut? Ich glaube, ich habe nicht mehr genug Kraft.«
    Sie lehnte sich zurück, während er mit dem Rücken zu ihr mit gespreizten Beinen über ihren Beinen stand und ihr fachmännisch erst den einen, und dann den anderen Stiefel auszog. Ein Hagel von schmutzigem nassem Sand fiel auf den Teppich. Er kniete sich hin und streifte ihr die Socken ab. Ihre Füße waren weiß, runzlig und eiskalt.
    »Arme Füße.« Er lächelte. Er nahm das Handtuch und rieb sie, so fest er konnte, trocken, bis sie sie vor Schmerz zurückzog, dann zog er ihr die Socken an. »Ich schaue mal, ob ich auch noch ein Paar trockene Stiefel finde. Welche Größe?«
    »Fünfeinhalb. Sechs.« Sie setzte sich nach vorn an den Rand des Sofas. »Ich glaube, ich wasche mir das Gesicht. Das macht mich vielleicht ein bißchen wacher.«
    »Gut. Ich finde bestimmt was, das Ihnen paßt, auch was zum Anziehen. Was Trockenes.«
    Im Badezimmer beugte Kate sich über das Becken zum Spiegel und starrte ihr Gesicht an. Sie sah verhärmt aus, grau, die Augen tiefliegend und ruhelos. Sie wusch sich lange das Gesicht mit warmem Wasser, bevor sie nach einem Handtuch griff. Sie würde es schaffen. Was immer das da draußen auch war, es würde sie drei nicht angreifen. Sie würde dafür sorgen, daß Patrick sein Gewehr mitnahm œ sie hatte es in seiner Hand gesehen, als sie ihr vorher die Tür aufgemacht hatten œ und sie würden Greg hierher bringen. Das Ganze würde in weniger als einer Stunde geschafft sein.
    Es dauerte zwei.

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